Gemeinde-Bibelleseplan: Einführung ins Buch Richter

In den nächsten vier Wochen wollen wir gemeinsam als Gemeinde das Buch Richter lesen. Wenn du mitlesen möchtest, kannst du dir den Leseplan hier herunterladen. Warum gerade Richter? Weil es ein Buch in der Bibel ist, das wahrscheinlich nicht so häufig in der persönlichen Bibellese vorkommt. Und wenn doch, dann sorgen die Erzählungen wahrscheinlich für viel Verwunderung und Fragen.

Hier kommen nun einige einführende Hinweise, die dir hoffentlich dabei helfen, während deinem Bibellesen nicht den Durchblick zu verlieren.

Richter als Text

Das Buch Richter gehört größtenteils in die Literaturgattung der Erzählung (eine Ausnahe bildet das Kapitel 5, das ein Lied ist). Das heißt, dass es historische Tatsachen schildert. Es beschreibt, was damals, vor ca. 3400–3100 Jahren, in Israel passiert ist. Deshalb wirst du in diesem Buch auch keine konkreten Handlungsanweisungen finden, die direkt für dich gelten. Was die Leute damals gemacht haben, ist kein Gebot für dich heute. (Wenn du also demnächst bei einer großen Entscheidung auf die Idee kommst, deinen Teppich in den Garten zu legen, damit Gott dir ein Zeichen gibt, dann handelst zu zwar so wie Gideon, aber eben nicht so, wie Gott es vorstellt.) Und nur, weil die Leute aus dem Volk Gottes stammen, heißt das nicht, dass Gott automatisch gutheißt, was sie tun. In diesem Buch wirst du einige wirklich komische, haarsträubende und auch einfach entsetzliche Dinge lesen. Damit wird keine Lehre vermittelt („Mache es genauso!“), sondern in diesen Erzählungen wird indirekt veranschaulicht, was anderswo explizit gelehrt wird. Wenn dich die theologische Basis für das Handeln und die daraus entstehenden Konsequenzen der Leute aus der Richterzeit interessiert, dann lies am besten einmal 5. Mose (insb. Kap 4–11 & 28–30).

Struktur

Das Buch Richter ist ziemlich einfach aufgebaut:

  1. Einleitung (1–3,6)
    1. Israels unvollständige Landeinnahme (1,1–2,5)
    2. Begründung der unvollständigen Landeinnahme (2,6–3,6)
  2. Hauptteil: Israel und seine Richter (3,7–16,31)
    1. Otniel, Ehud & Schamgar (3,7–31)
    2. Debora (4–5)
    3. Gideon (6–9)
    4. Tola & Jair (10,1–5)
    5. Jeftah (10,6–12,7)
    6. Ibzan, Elon & Abdon (12,8–15)
    7. Simson (13–16)
  3. Anhang: Zwei Beispielgeschichten aus der Richterzeit (17–21)
    1. Der Götzendienst von Micha und dem Stamm Dan (17–18)
    2. Bürgerkrieg gegen Benjamin (19–21)

In der Einleitung wird der historische und theologische Rahmen für die Richtererzählung gesetzt. Danach werden die einzelnen Richter beschrieben, die Israel aus der Unterdrückung ihrer Nachbarvölker retteten. Es ist interessant, dass zwölf Richter beschrieben werden, die alle aus jeweils einen Stamm des Volkes Israel kommen (außer aus dem Stamm Asser; dafür wird aber auch bei einem Richter kein Stamm angegeben). Das Buch zeigt also, wie der generelle Zustand in gesamt Israel war und dass das Problem der schnellen Abkehr von Gott kein Einzelphänomen war, sondern wirklich das gesamte Volk betroffen hat. Nach den Richtern folgen, als eine Art Anhang, zwei Einzelgeschichten aus dieser Zeit. Sie dienen als Lupe und zeigen im Detail, wie schlimm die Zustände damals im Volk Israel waren.

Inhalt

In Kapitel 2,13–19 wird der Kreislauf beschrieben, der sich durch das gesamte Buch hindurch immer wieder wiederholt. Die Israeliten wenden sich von Gott ab und anderen Götzen zu. Daraufhin wird Gott zornig auf sie und gibt sie in die Hand der umliegenden Völker, die sie unterdrücken. Wenn die Umstände zu unerträglich werden, wenden sich die Israeliten dann doch wieder an Gott, kehren um und bitten ihm um seine Hilfe. Daraufhin gibt ihnen Gott einen Richter, der seine Landsleute aus der Hand der Feinde rettet und für Frieden sorgt. Als dieser jedoch stirbt, wendet sich das Volk wieder von Gott ab und wieder den Götzen zu. Und diesmal jedoch treiben sie es mit ihrem Götzendienst schlimmer als zuvor und das Elend geht von vorn los.

Wenn du in den nächsten Wochen das Buch Richter lesen wirst, kannst du diese Abwärtsspirale, in der sich das Volk Gottes befindet, sehr gut nachvollziehen. Die ersten Richter Otniel, Ehud und Deborah werden als gläubige und daraus folgend mutige Menschen dargestellt. Darauf folgt Gideon, der zwar erst das Volk zu Gott zurückführt, dann aber nach seinem Sieg überheblich wird und Israel zum Götzendienst verleitet. Der nächste große Richter, Jeftah ist ein gesetzloser Mann, der Glauben an Jahwe mit kanaanitischen Götzendienst vermischt und seine eigene Tochter opfert. Das traurige Ende der Abwärtsspirale stellt Simson dar; ein Mann, der von Geburt an Gott geweiht ist, sich aber anscheinend kein bisschen um Gott schert, sondern nur ein jähzorniger, gewalttätiger Lustmolch ist. Die Richter sind damit auch Symbolfiguren für den geistlichen und gesellschaftlichen Zustand im Land: Das Volk, das Gott die Treue geschworen hatte, lebt am Ende im Götzendienst. Das Volk, das gemeinsam aus Ägypten ausgezogen und das Land Kanaan eingenommen hatte, befindet sich am Ende im Bürgerkrieg.

Das Buch Richter ist also kein Buch voller nachahmenswerter, tugendhafter Menschen. Warum steht es dann in der Bibel? Zum Einen beschreibt es einen wichtigen Abschnitt von Gottes Geschichte mit seinem Volk. Und zum Anderen zeigt es uns die Grundwahrheit des Evangeliums: Rettung bekommst du nicht durch dein moralisches und heiliges Leben, sondern allein durch Gottes Gnade. „Letztendlich gibt es in diesem Buch nur einen einzigen Helden, und der ist göttlich. Wenn wir diesen Teil der Heiligen Schrift als eine historische Erzählung davon lesen, wie Gott sein unwürdiges Volk durch das und aus dem Schlamassel rettet, in das sie ihre Sünde gebracht hat, dann wird es in unseren Köpfen und Herzen lebendig und spricht in unsere aktuellen Leben und Situationen.“1Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition.

Tim Keller nennt sechs große Wahrheiten über Gott, die uns dieses Buch vermittelt:2Ebd.

  1. Gott bietet seine Gnade unermüdlich Menschen an, die sie nicht verdienen, die sie nicht suchen und die sie nicht einmal zu schätzen wissen, nachdem sie durch die Gnade gerettet worden sind.
  2. Gott will die Herrschaft über alle Bereiche unseres Lebens, nicht nur über einige.
  3. Es besteht eine Spannung zwischen Gnade und Gesetz, zwischen Bedingtheit und Unbedingtheit. (Wird Gott sein Volk bestrafen, weil es seinen Bund gebrochen hat? Oder wird er seinem Volk vergeben, weil er sich durch den Bund an es gebunden hat?)
  4. Wir brauchen eine ständige geistige Erneuerung in unserem Leben hier auf der Erde, und es gibt einen Weg, das zu verwirklichen.
  5. Wir brauchen einen wahren Erlöser, auf den alle menschlichen Erlöser mit ihren Fehlern und Stärken hinweisen.
  6. Gott hat das Sagen, ganz gleich, wie es aussieht.

Hinweis: Für meine Gedanken in den nächsten Tagen werde ich immer wieder (wie auch schon hier in der Einleitung) auf das sehr gute Buch Judges For You („Richter für dich“) von Timothy Keller zurückgreifen. Leider gibt es dieses Buch aktuell noch nicht auf Deutsch.

Und nun wünsche ich dir viel Spaß beim Lesen des Buches Richter!

Fußnoten

  • 1
    Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition.
  • 2
    Ebd.