Bibelleseplan, 05.10.2024, Richter 6

Der Beginn des sechsten Kapitels von Richter kommt uns mittlerweile bekannt vor. Die Israeliten tun, was Gott missfällt und dieser gibt sie daraufhin in die Hand eines Unterdrückers. Diesmal sind es die Midianiter. Nicht nur die Gottlosigkeit des Volkes Israel nimmt zu, auch die Unterdrückung. Israel verarmt, weil die Midianiter sie wirtschaftlich ruinieren.

Neu ist jedoch, dass auf den Schrei des Volkes um Hilfe Gott keinen neuen Richter sendet. Stattdessen schickt er zuerst einen Propheten, der den Israeliten eine Predigt hält. Er erinnert sie daran, dass sie Gott jede Rettung aus der Vergangenheit verdanken, weil sie sein Volk sind. Und deshalb sollten sie ihm gehorsam sein und nicht den anderen Göttern der benachbarten Völker nachlaufen. „Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht.“ (V.10) Die Predigt ist die Erinnerung an das Volk, dass sie selbst für ihr Unglück verantwortlich sind. Und dass es ihnen mit ihrer Umkehr zu Gott gar nicht so ernst zu sein scheint. Letztlich will Israel nur aus dem Schlamassel gerettet werden, aber Gott bleibt ihnen herzlich egal. Das stellt auch uns vor die Frage: Worum geht es uns, wenn wir Gott um Vergebung für unsere Sünden bitten? Sind wir betrübt darüber, dass die Sünde negative Folgen für unser Leben hatte? Dann geht es uns eigentlich um uns selbst, wir sind immer noch ich-zentriert. Oder sind wir betrübt darüber, dass wir Gott ungehorsam waren, ihm Unehre gemacht und ihn betrübt haben? Dann geht es uns um ihn und nur dann werden wir auch echte Veränderung erleben.

Interessant ist, dass auf die Predigt des Propheten keinerlei Reaktion des Volkes erfolgt. Stattdessen beschreibt der Text nahtlos, wie sich der Engel des HERRN aufmacht, um Gideon als neuen Richter und Retter zu berufen. Was für eine mutmachende Wahrheit! Gott wartet nicht darauf, dass wir zu ihm umkehren, bis er anfängt uns zu retten. Stattdessen geht er den ersten Schritt. Er leitet die Rettung des Volkes in die Wege, obwohl dieses sich völlig unbeeindruckt von seiner Zurechtweisung zeigt. Exakt das Gleiche haben wir erfahren: „Christus starb ja für uns zu einer Zeit, als wir noch ohnmächtig der Sünde ausgeliefert waren; er starb für Menschen, die Gott den Rücken gekehrt hatten. Gott hingegen beweist uns seine Liebe dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren.“ (Röm 5,6+8)

Nur ist Gideon nicht sonderlich von seiner Eignung überzeugt, der Retter Israels zu sein. Obwohl er mehrere Zeichen und Zusagen von Gott bekommen hat, ist er am Ende immer noch unsicher. Worauf er die Wolle (das Vlies) über Nacht ins Freie legt. Ich habe das bisher immer als Zeichen seines Unglaubens und Zögerns gesehen. Tim Keller gibt aber noch eine etwas andere Perspektive:1Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition. Gideon stammt aus einer Familie, die sowohl Gott als auch die Götter des Landes angebetet hat (V.25). Von diesen Göttern hatte jeder seinen „Herrschaftsbereich“: einer für den Regen, einer für die Ernte, für den Wald usw. Als Gideon nun die Wolle auslegt und Gott um ein übernatürliches Zeichen bittet, fragt er ihn damit: „Bist du auch nur eine weitere Naturgewalt (wie die anderen Götter) oder stehst du über den Naturgewalten?“ Er fragt also nach einem besseren Verständnis davon, wer Gott ist und bezieht sich dabei direkt auf die Bereiche, wo sein Glaube noch schwach und uninformiert ist. Wir haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber Gideon: Wir haben die Bibel und kennen Jesus, durch den Gott zu uns direkt gesprochen hat (Hebr 1,2) und durch den wir genau sehen können, wie Gott ist (Joh 14,9). Es geht bei der Wolle also nicht darum, wie wir Entscheidungen treffen können („Gott, wenn ich diesen Job annehmen soll, dann mach bitte, dass die Firma mich heute für ein Vorstellungsgespräch einlädt.“), sondern darum, zu einem tieferen Verständnis über Gott und dadurch zu einem begründeten Glauben an ihn zu kommen.

Gebet: Vater, manchmal will ich von dir nicht mehr als Absolution für meine Taten oder einfache Wegweisung, ohne selbst Verantwortung übernehmen zu müssen. Du aber willst, dass ich dich immer mehr erkenne und dadurch mein Herz verändert wird. Hilf mir, dich um deiner selbst willen zu suchen und zu lieben, nicht wegen deiner Geschenke. Amen.

Fußnoten

  • 1
    Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition.
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