Bibelleseplan 09.10.2024: Richter 9

Eigentlich müsste nach dem Tod von Gideon ein neuer Richter-Zyklus beginnen. Stattdessen liegt der Fokus ein weiteres Kapitel auf seiner Familie, speziell auf seinem Sohn Abimelech („Sohn eines Königs“). Dieser treibt es noch schlimmer als sein Vater an seinem Lebensende und bietet sich selbst als König der Stadt Sichem an. Als Starthilfe bekommt er Geld aus dem Schatz ihres Götzen. Abimelech lehnt also Gott offen ab und schwingt sich selbst zum grausamen Herrscher auf. Seine Herrschaft ist schrecklich, sie beginnt unglaublich blutig (V.4–5) und endet ebenso (V.34–54). Und dass seine dreijährige Regierungszeit friedlicher war, ist nur schwer vorstellbar.

Bei all dem Chaos und Gemetzel scheint Gott abwesend zu sein, oder zumindest untätig. Der Bundesname Gottes, JHWH („HERR“), wird nie erwähnt. Auf den ersten Blick scheint es so, als ob er das Volk seinem Schicksal überlässt und der Gottlosigkeit und Grausamkeit einfach freien Lauf lässt. Zweimal jedoch wird er kurz erwähnt: „Da sandte Gott einen bösen Geist zwischen Abimelech und die Bürger von Sichem.“ (V.23) Und als Abschluss der Episode: „So ließ Gott die Bosheit Abimelechs, die er an seinem Vater verübt hatte, … auf ihn zurückkommen. Und die ganze Bosheit der Männer von Sichem ließ Gott auf ihren Kopf zurückkommen.“ (V.56-57) Gott erscheint zwar abwesend, aber im Hintergrund ist er dennoch am Wirken. Nur dass das, menschlich betrachtet, niemand mitbekommt. Von außen betrachtet, verstehen sich auf einmal Abimelech und die Einwohner Sichems halt einfach nicht mehr und es kommt zum Zerwürfnis. Sowas kommt schon mal vor. Und dieser Streit eskaliert halt ziemlich, was bei solchen Hitzköpfen und geltungssüchtigen Leuten nicht schwer vorstellbar ist. Von außen betrachtet, nehmen die Dinge halt einfach ihren unglücklichen, aber natürlichen Lauf. Erst später wird der Vorhang ein Stück weit zurückgezogen und man erkennt, dass diese blutige Episode Gottes Gericht über die Grausamkeit und Bosheit Abimelechs und Sichems war. Hinter den Kulissen sorgt Gott für Gerechtigkeit, auch wenn es niemand auf den ersten Blick mitbekommt.

Wir werden in unserer Zeit täglich mit Meldungen über Gewalt und Ungerechtigkeit konfrontiert. Und auf den ersten Blick scheint auch bei uns Gott abwesend zu sein. Oder jedenfalls untätig. Wie kann er all das nur zulassen? Warum sorgt er nicht für Gerechtigkeit? Nun, vielleicht tut er das ja gerade, nur bekommen wir es nicht mit. Der Blick hinter den Vorhang ist uns in der Regel verwehrt. Vielleicht straft Gott ja gerade die Bosheit und Grausamkeit einiger Menschen und wir sehen es nicht, weil die Mittel, die er dafür verwendet, so irdisch, „unheilig“ und sündig sind. Abimelech und die Einwohner Sichems intrigierten, betrogen und mordeten – und am Ende diente genau das der Gerechtigkeit Gottes. Es ist für ihn kein Problem, sündige Menschen mit ihren sündigen Taten zu benutzen, um andere sündige Menschen für ihre sündigen Taten zu strafen. (Siehe dazu auch unsere Predigtreihe über den Propheten Habakuk aus dem vergangenen Jahr.) Und gleichzeitig bleiben diese Menschen für ihre Taten verantwortlich und müssen Gottes endgültiges Gericht dafür erwarten. Den Höhepunkt stellt wahrscheinlich der Tod von Jesus am Kreuz dar: Menschlich betrachtet, wird ein jüdischer Lehrer aus Neid durch Intrigen, Verrat, Scheinprozesse und Erpressung durch die religiösen Führer zum Tod verurteilt. Der ultimative Sieg des Bösen. Aber hinter den Kulissen hatte Gott es genauso geführt, damit durch den Tod von Jesus wir sündige Menschen die Chance haben, mit einem gerechten und heiligen Gott versöhnt zu werden.

Wenn wir uns also mal wieder fragen, warum Gott denn nichts gegen die Ungerechtigkeit in unserem Umfeld oder in der Welt tut, dann sollten wir zwei Dinge bedenken: Erstens, vielleicht unternimmt er ja schon etwas und es ist uns nur verborgen, weil wir nicht hinter den Vorhang blicken können. Und zweitens, wir können darauf vertrauen, dass Gottes Gerechtigkeit am Ende sicher siegen wird, das hat er versprochen. Wie es mal jemand ausgedrückt hat: „Die Mühlen Gottes mahlen langsam, aber sie mahlen unglaublich fein.“ Am Ende wird die gesamte Erde von der Herrlichkeit Gottes (die auch seine Gerechtigkeit umfasst) bedeckt sein (Hab 2,14). Darauf dürfen wir hoffen, auch wenn wir jetzt noch unter Ungerechtigkeit zu leiden haben.

Gebet: Vater, wenn ich mir das Elend in der Welt ansehe, könnte ich manchmal verzweifeln, weil anscheinend das Böse siegt. Danke, dass du im Hintergrund am Wirken bist und der Sieg deiner Gerechtigkeit schon feststeht. Lass mich im Glauben daran festhalten und mich in meinem Umfeld für Gerechtigkeit einsetzen, weil ich weiß, dass das deinem Wesen entspricht. Amen.

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