Es ist schon erstaunlich, aus welchem großen Pool an Götzen sich die Israeliten an diesem Punkt in der Geschichte mittlerweile bedienen. Neben den „einheimischen“ Göttern Baal und Astarot dienen sie nun auch den Göttern der Aramäer, Sidonier, Moabiter, Ammoniter und Philister (V.6). Alle diese Nachbarvölker hatten in der Vergangenheit bereits Israel unterdrückt (bzw. Ammon und die Philister aktuell). Unter diesen Völkern hatten die Juden unglaublich zu leiden gehabt. Dennoch beten sie weiter diese Götter an. Obwohl ihr Götzendienst nichts als Unglück über sie gebracht hat, kehren sie immer wieder dahin zurück. Es ist leicht, die Israeliten zu verurteilen oder zu belächeln. Warum können sie nicht sehen, dass sie sich selbst schaden? Doch für uns gilt das Gleiche wie für Israel damals: Götzendienst versklavt uns. Wenn wir Erfüllung in unserem Job suchen und dieser auf einmal wegbricht, dann denken wir wahrscheinlich zuerst: „Ich muss halt einfach einen besseren Job finden.“ Wenn wir Wert in Beziehungen suchen, alles für eine Ehe opfern, die jedoch dann zerbricht, denken wir: „Ich brauche einfach einen besseren Ehepartner.“ Für uns ist das Problem nicht unser Götze, sondern dass wir unserem Götzen nicht genug dienen.1Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition.
Als die Israeliten dann wieder als Strafe für ihren Götzendienst unterdrückt werden und daraufhin zu Gott um Hilfe rufen, bekommen sie diesmal eine Abfuhr erteilt. Gott scheint langsam die Nase voll zu haben. Er sagt: „So oft habe ich euch bereits gerettet und jedes Mal habt ihr euch wieder anderen Göttern zugewandt. Jetzt ist Schluss damit! Ruft doch zu den anderen Göttern um Hilfe.“ (V.11–14) Seine Antwort macht deutlich, dass Israel mit seinem Hilferuf nur auf schnelle Rettung aus ist. Ihnen geht es nur um die Befreiung, um die Rettung durch Gott; Gott selbst ist weniger wichtig für sie. Deshalb auch die Aufforderung, in diesem Fall doch einfach bei den anderen Göttern Hilfe zu suchen. Die Reaktion der Israeliten zeigt, dass sie den Kern des Problems verstanden haben. Sie sagen: „Wir haben gesündigt. Mach mit uns, was du für richtig hältst. Aber bitte rette uns jetzt aus dieser Not.“ (V.15–16) Sie liefern sich Gott aus, auch wenn das Leid für sie bedeutet (auch wenn sie dieses lieber nicht wollen). Zuvor sagten sie: „Wir brauchen dich, damit du uns Rettung gibst.“ Jetzt sagen sie: „Wir brauchen dich, egal ob du uns Rettung bringst oder nicht.“ Das unterstreichen sie, indem sie die Götter entfernen. Wenn wir sagen: „Gott, ich brauche dich, damit du mir XYZ gibt“, dann ist dieses „XYZ“ unser wahrer Gott. Echte Umkehr zeigt sich darin, dass …
- mir die Sünde an sich leid tut, nicht nur ihre Konsequenzen,
- ich meine götzendienerische Haltung als Problem sehe und nicht nur mein Verhalten ändern will.2Ebd.
Diese echte Buße nach Gottes Sinn (2Kor 7,10), bewegt Gottes Herz und Barmherzigkeit. Obwohl er zuvor noch gesagt hatte, dass er Israel nicht mehr retten wird (V.13), greift er nun doch rettend ein (V.16). Diese Spannung zwischen seiner Heiligkeit und seiner Gnade wird erst über 1000 Jahre später aufgeöst – als Jesus am Kreuz stirbt und Gott sich als absolut gerecht und heilig und gleichzeitig als unglaublich gnädig und liebevoll erweist.
Gebet: Vater, ich bin schnell so wie die Israeliten und laufe immer wieder den Götzen nach, die mich ins Unglück gestürzt haben. Bewahre mich davor, mich einfach nur zur Linderung meiner Not an dich zu wenden, aber nicht dich selbst zu suchen. Stattdessen will ich echt zu dir umkehren, weil du durch Jesus „treu und gerecht bist und mich reinigst von jeder Sünde“ (1Joh 1,9).
Fußnoten
- 1Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition.
- 2Ebd.