Bibelleseplan, 16.10.2024: Richter 14

Nach der göttlichen Ankündigung des Richters Simson und seiner Abgesondertheit für Gott von Geburt an sind die Erwartungen an ihn verständlicherweise sehr hoch. Simson ist der letzte Richter in diesem Buch, bisher ist alles immer nur bergab gegangen. Israel wird bereits seit 40 Jahren von den Philistern unterdrückt (13,1). Um nun das Ruder herumzureißen, braucht es einen besonders fähigen Mann Gottes. Und mit einem Leben, das von Geburt an Gott geweiht ist, sollte er doch der perfekte Mann für den Job sein. Wie einmal ein weiser Mann gesagt hat: „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.”1Onkel Ben an Spider-Man. So ähnlich steht es aber auch in der Bibel, siehe Lk 12,48.

Jedoch entpuppt sich Simson als absolute Enttäuschung. Er, dessen Geburt göttlich angekündigt wurde und der ein Gott geweihtes Leben führen sollte, zeigt am wenigsten Gottesfurcht von allen. Stattdessen handelt er ganz wortwörtlich nach dem Lustprinzip. Er geht nach Timna, wo die Philister wohnen und sieht dort eine junge Frau, die ihm gefällt. Das reicht für ihn aus, dass er sie unbedingt heiraten will. Verständlich, dass das bei seinen Eltern auf wenig Gegenliebe stößt. Sie fragen zu Recht, ob es denn im gesamten Volk Israel keine einzige Frau gäbe, die ihm gefallen würde? Warum muss er unbedingt eine Frau von den „unbeschnittenen Philistern“ nehmen? Entscheidend ist hier das Wort „unbeschnitten“. Das Problem ist nicht zuerst, dass sie eine Philisterin ist (also aus einem anderen Volk), sondern dass sie einem anderen Glauben angehört (die Beschneidung war das Zeichen dafür, dass man in den Bund Gottes mit seinem Volk eingetreten war). Gott hatte in 2Mo 34,15-16 die Heirat mit den ungläubigen Nachbarvölkern verboten, weil das dazu führen würde, dass die Israeliten „anderen Göttern nachhuren“. Das heißt, sie würden geistlichen Ehebruch betreiben (vgl. die Anmerkungen zu Richter 2). Diese Warnung wird von Paulus im Neuen Testament wiederholt (2Kor 6,14-16). Das dort erwähnte „ungleiche Joch“ meint verschiedene bindende Beziehungen zwischen Menschen, wo die Ehe jedenfalls mit eingeschlossen ist. Die Gefahr hinter so einer ungleichen Beziehung ist nicht, dass mich der Partner in meinem Glauben einschränkt. Sondern sie ist viel mehr, dass dadurch Gott Konkurrenz von verschiedenen anderen Göttern und Götzen bekommt; einfach, weil die Lebensphilosophien so unterschiedlich sind. Nicht der Partner schränkt dann meinen Glauben ein, sondern ich selbst übernehme das. Wenn dein Partner oder deine Partnerin nicht auch Gott an erster Stelle im Leben hat, dann wirst du versucht sein, Gott im Alltag immer mehr an den Rand zu drängen, weil sonst dein Denken, Reden und Verhalten für den anderen völlig unverständlich sein wird.

Simson mit seiner Gleichgültigkeit gegenüber Gott und der Gottlosigkeit der Philister ist aber nur ein Spiegelbild des damaligen Zustandes von ganz Israel. Das ganze Volk ist blind und gleichgültig für Gottlosigkeit geworden. Das sehen wir zum einen daran, dass Simson nach Timna geht, wo die Philister wohnen. Diese Stadt liegt weit im Stammesgebiet von Juda. Bis dahin hatten sich die Philister also schon ausgebreitet. Aber noch krasser ist, dass wir trotz der 40 Jahre langen Unterdrückung bisher nicht gelesen haben, dass Israel zu Gott um Hilfe schrie, wie sie es sonst getan hatten! Anscheinend haben sie sich mittlerweile an die Präsenz der Philister gewöhnt, sie wurden schleichend von ihnen unterdrückt und sie haben es gar nicht mitbekommen. Nun ist es einfach ein Fakt, dass die Philister in ihrem Gebiet mit wohnen und man kommt miteinander aus. Israel hat sich so sehr den Werten der gottlosen Völker ringsum angepasst, dass es überhaupt keine Reibung, Andersartigkeit und Konflikt mehr zwischen ihnen und diesen Völkern gibt.

Auch wir stehen als Kirchen und Gemeinden in der Gefahr, dem Konflikt mit der Welt aus dem Weg zu gehen. Zwei große und sehr gegensätzliche Strategien sehen wir über die Jahrhunderte immer wieder, die aber beide nicht genügen:

  • Die erste Strategie ist die „Anpassung“. Um relevant zu bleiben, versucht man mit der Zeit mitzugehen. Dieses Vorgehen sehen wir in den Landeskirchen, wo die Unfehlbarkeit der Bibel, die Möglichkeit des übernatürlichen Eingreifens Gottes (Wunder) und die Göttlichkeit von Jesus immer mehr angegriffen werden. „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“2Rudolf Bultmann. Stattdessen konzentriert man sich auf Themen wie soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz u. ä. Dem Konflikt mit der Gesellschaft wird aus dem Weg gegangen, aber gleichzeitig verliert die Kirche immer mehr an Profil und ihr Streben nach Relevanz führt aktuell offensichtlich dazu, dass sie immer irrelevanter wird.
  • Die zweite Strategie ist die „Abgrenzung“ und sie ist genauso falsch. Statt mit der Zeit mitzugehen, betont man die Unterschiede zur Kultur und will unbedingt seine klare Linie bewahren und sich nicht von gesellschaftlichen Einflüssen verweichlichen lassen. Dieses Vorgehen sehen wir insbesondere in verschiedenen Freikirchen, wo man manchmal das Gefühl hat, dass Themen nur deshalb abgelehnt werden, weil sie aktuell in der Gesellschaft wichtig sind. „Jesus hat uns nicht gesandt, die Armut und den Hunger der Welt zu lindern, sondern das Evangelium zu verkündigen“, wird beispielsweise gesagt. Man ist zwar sehr klar in seiner Stellung zum Wort Gottes und hat ein scharfes Profil. Aber auch hier wird der Konflikt mit der Welt umgangen, weil man sich in seine geschlossenen Kreise zurückzieht, „die noch nicht von der Welt verdorben sind“, und wird so genauso irrelevant wie angepasste Kirchen.

Gebet: Vater, ich sehe in mir die Tendenz, die Reibung mit der Welt zu vermeiden. Aber genau dadurch enthalte ich einer Welt das vor, was sie am dringendsten braucht: den Retter Jesus Christus. Hilf mir, mutig und liebevoll anders zu sein, um als erkennbares Licht in einer dunklen Welt zu leben. Amen.

Fußnoten

  • 1
    Onkel Ben an Spider-Man. So ähnlich steht es aber auch in der Bibel, siehe Lk 12,48.
  • 2
    Rudolf Bultmann.
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