Bibelleseplan, 17.10.2024: Richter 15

Simson ist wirklich ein Mann ohne jegliche Selbstbeherrschung. Er ist lustgesteuert, impulsiv und gewalttätig. Wenn wir seine Taten in diesem Kapitel sehen, dann scheinen seine Denkprozesse nach einem sehr simplen Schema abzulaufen: „Ihr habt mir wehgetan, also tue ich euch noch mehr weh.“ Die einzige Richtlinie für sein Handeln scheint das Vergeltungsprinzip zu sein. Während sein Vorgänger Jeftah zuerst noch die diplomatische Lösung suchte, schlägt Simson einfach auf alles ein, was sich ihm in den Weg stellt. Aber – so unverständlich das für uns auch sein mag – nutzt Gott gerade diese Impulsivität und Gewalttätigkeit, um einen Keil zwischen die Israeliten und die Philister zu treiben. Da Israel gar nicht mehr mitbekommt, dass es gottlos geworden ist und immer mehr so wird wie die heidnischen Philister (siehe gestern), muss Gott eben selbst für Reibung zwischen den Völkern sorgen. Und sein Werkzeug ist in diesem Fall kein präzises Skalpell, sondern eine gewaltige Abrissbirne!

Für uns mag es unverständlich sein, wie Gott so jemand wie Simson gebrauchen kann. Aber Gott ist frei in der Wahl seiner Werkzeuge. Er muss uns dafür nicht Rechenschaft leisten. Auf irgendeine, für uns nicht ganz nachvollziehbare Weise kann Gott die bösen Taten von Menschen für seine Zwecke gebrauchen, ohne diese bösen Taten dadurch gutzuheißen. Die zusätzliche Herausforderung bei Simson ist jedoch, dass er fast alle seiner Gewaltorgien verübt, nachdem der „Geist des HERRN“ über ihn gekommen war (14,6.19; 15,14). Wie passt das zusammen? Wie kann Simson den Heiligen Geist haben und dennoch keiner Anzeichen für Heiligung erkennen lassen? Tim Keller weist hier auf eine wichtige Unterscheidung hin: „Es ist möglich, die Gaben des Geistes, aber nicht die Frucht des Geistes zu haben.“1Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition. Als Beispiel führt er Paulus’ Argumentation in 1. Korinther 12–14 an. Dort beschreibt Paulus in den Kapiteln 12 und 14 die Gaben des Geistes; das, was wir durch den Heiligen Geist tun (Predigen, Weissagung, Dienen, Sprachenrede usw.). Die Frucht des Geistes hingegen ist die Veränderung unseres Charakters, wie wir sind (siehe Gal 5,22-23). In 1. Korinther 13 warnt Paulus vor dem Fall, dass man große Taten für Gott tut, es dabei aber an der Frucht der Liebe in der Person fehlt. Ohne Liebe, sagt Paulus, ist alles nichts. Es ist also möglich, sehr viel Gutes und sogar Außergewöhnliches für das Reich Gottes zu tun, aber gleichzeitig innerlich ein geistliches Wrack zu sein. Die regelmäßigen Meldungen über den moralischen Fall oder die verborgene Sünde von geistlichen Leitern bestätigen das.

Für uns bedeutet das:

  • Viel wichtiger als das, was wir für Gott tun, ist unsere Veränderung unseres Charakters! Die Fragen zur Bewertung deines geistlichen Wachstums sind nicht: „Wurden durch meinen Dienst mehr Leute angesprochen/Bin ich ein besserer Leiter/Kann ich besser auf die Nöte und Bedürfnisse der Menschen eingehen … als vor einigen Jahren?“ Stattdessen müssen wir uns fragen: „Bin ich liebevoller/geduldiger/selbstbeherrschter … als vor einigen Jahren?“
  • Anstatt uns auf unsere Aktivitäten zu konzentrieren, muss unser Fokus viel mehr auf unserem Gebetsleben liegen. „Ist das Gebet herzlich, macht es Freude und ist es beständig? Bist du nicht nur am Reden, sondern hörst und lernst du auch? Oder betest du, wie Simson, nur als letzten Ausweg und betest du nur für dich selbst und deine Wünsche?“2Timothy Keller, Judges For You.

Gebet: Vater, bitte bewahre mich vor Aktionismus für dich, der nicht aus der tiefen Beziehung zu dir entspringt. Lass mich nicht in falscher Sicherheit wiegen, meine Beziehung zu dir wäre in Ordnung, nur weil ich viele Dinge für dich tue. Bitte beschneide lieber meinen Dienst für dich, als dass ich ohne echte Liebesbeziehung zu dir lebe. Amen.

Fußnoten

  • 1
    Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition.
  • 2
    Timothy Keller, Judges For You.
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