Bibelleseplan, 18.10.2024: Richter 16

Mit fortschreitender Erzählung wird Simson immer rücksichtsloser. Er scheint wirklich absolut lernresistent zu sein. Am Ende ist er ein – rein menschlich gesehen – ein bedauernswerter Mann, der durch seine Hybris krachend abgestürzt ist und nun für die alltäglichen Dinge auf die Hilfe Anderer angewiesen ist.

Wie kam es dazu? Warum musste Simson so lange mit dem Feuer spielen, bis es ihn verbrannte? Zum einen wahrscheinlich, weil er nicht genug bekommen konnte. Seine Handlungen zeigen ein gewisses Suchtverhalten: Er spielt immer mehr mit der Gefahr, ist süchtig nach sexueller Befriedigung und dem „Kick“ eines knappen Entkommens. Zum anderen aber sehen wir auch, dass sein falsches Verständnis seines Nasiräer-Gelübdes ihn zu falschen Schlussfolgerungen führt. Im Lauf der Geschichte hatte er immer mehr sein Gelübde ignoriert: Er tötete den Löwen und aß den Honig aus seinem Kadaver, wo doch Nasiräer nichts Totes berühren dürfen. Er feierte eine rauschende Hochzeit, wo doch Nasiräer keinerlei alkoholische Getränke trinken durften. Trotz alldem war ihm seine Kraft geblieben. Also denkt er sich nun wahrscheinlich: „Ist doch egal, ob meine Haare geschnitten werden oder nicht, meine Kraft wird mir schon bleiben, wie sonst auch.“ Was er nicht begreift, ist, dass seine Kraft nichts ihm innewohnendes ist, sondern dass sie von Gott kommt. Und als dieser nun einen Schlussstrich zieht und Simson verlässt (V.19–20), sieht Simson erst dumm aus und dann sieht er nichts mehr. Er wird von den Philistern gedemütigt und muss jetzt als Sklave die niedrigste Arbeit verrichten.

Wenn wir Erfolg haben, stehen wir genauso wie Simson in der Gefahr, die Grund dafür bei uns selbst zu suchen anstatt bei Gott. Dann vertrauen wir nicht mehr ihm, sondern unserem eigenen Können. Ich glaube auch deshalb erleben wir immer wieder mal Niederlagen und Rückschläge, damit uns bewusst bleibt (bzw. wieder bewusst wird), dass wir ohne Gott nichts tun können. Auch Simson scheint das zu verstehen. Seine größte Niederlage wird Startpunkt für erneuertes Vertrauen auf Gott. Als er dann im Tempel des Philistergottes Dagon steht und Gott ein letztes Mal um Kraft bittet, sehen wir einen veränderten Mann. Er spricht Gott als „meinen Gott“ und „HERR“ (der Bundesname Gottes) an (V.28). Er bittet Gott um Kraft. Er hat verstanden, dass die Quelle seiner Kraft immer Gott war, nicht er selbst. Zum ersten Mal in seinem Leben lesen wir von Simson, dass er Vertrauen auf Gott zeigt. Und kommt aus seiner Schwäche durch das Vertrauen auf Gott sein größter Triumph.

Ich kann die Simsongeschichte nicht abschließen, ohne auf die Verbindung von Simson und Jesus hinzuweisen. Noch detaillierter kann man das in einer Predigt aus August aus unserer Gemeinde nachhören. Zum einen sehen wir den Kontrast zwischen Simson und Jesus:

  • Simson lebte seine Wünsche und Begierden aus. Jesus stattdessen gab seine Rechte auf und wurde zum Diener.
  • Simson vertraute auf seine eigene Stärke, um ihn zu retten. Jesus war sich der Abhängigkeit von Gott seinem Vater bewusst.
  • Simsons Tod ist die Folge seines ständigen Ungehorsams gegen Gott und seinem andauernden Streben nach Ehre für sich selbst. Jesus dagegen lebte sein Leben im vollkommenen Gehorsam gegenüber Gott. Er suchte Gottes Ehre und sein Tod war die Folge unseres ständigen Ungehorsams.
  • Simsons Tod erreichte nur teilweise, was sein Auftrag war: Er „fing an, Israel von den Philistern zu retten.“ (13,5) Jesu Tod brachte dagegen endgültige Rettung für uns.

Gleichzeitig sehen wir aber auch viele echte Parallelen zwischen den beiden Personen:

  • Beide wurden von einer Person verraten, die ihnen nahestand.
  • Beide wurden den heidnischen Unterdrückern ausgeliefert.
  • Beide wurden gefoltert und öffentlich zur Schau gestellt.
  • Beide starben mit ausgestreckten Armen.
  • Beide schienen von ihren Feinden vollständig besiegt zu sein. Aber beide vernichteten durch ihren Tod ihre Feinde: Simson die Philister und Jesus den ultimativen Feind, Satan.

Bei Simson als dem letzten Richter in diesem Buch sehen wir die stärksten Hinweise auf Jesus, insbesondere seinen „Sieg durch Niederlage“.

Gott rettete sein Volk durch die siegreiche Niederlage eines einzigen Retters. … Das ist das Evangelium! Jesus wurde schwach, um stark zu werden. Aber es gibt natürlich, einen letzten, entscheidenden Unterschied zwischen Simson und Christus. Mit Simsons Beerdigung war seine Herrschaft vorbei (16,31). Seine Geschichte war beendet. Aber mit Jesu Beerdigung hat die Geschichte in vieler Hinsicht erst begonnen. Er herrscht auch nach seinem Grab weiter, nicht nur zuvor. Der Eine, der schwach wurde, um zu retten, wird ewig in Kraft und Macht regieren.1Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition.

Gebet: Herr Jesus, danke, dass du für uns auf die Erde kamst und schwach wurdest, um uns zu erretten. Wir waren so sündig, dass es keinen anderen Weg gab. Erinnere mich immer wieder daran, dass es deine Leistung war, die mich gerettet hat, und dass ich auch jetzt nur durch deine Befähigung stark sein kann. Amen.

Fußnoten

  • 1
    Timothy Keller, Judges For You, Kindle Edition.