Mit Simson haben die Richter-Zyklen ihr unbefriedigendes Ende gefunden. Ein ziemlich lasterhafter Richter schlägt zwar die Feinde Israel, aber nur teilweise und er verschafft Israel keine Ruhe. Die nun folgenden Kapitel können als Anhang zum Richterbuch gesehen werden. Die Kapitel 3–16 konzentrierten sich auf einzelne Richterpersonen und gaben eher einen generellen Einblick in die Zustände in Israel. Die zwei folgenden Geschichten zoomen in die Verhältnisse in Israel hinein und dienen als Fallbeispiele, wie sich denn die immer schlimmer werdende Gottlosigkeit in Israel darstellte.
Eine Formulierung kommt in diesen fünf Kapitel viermal vor. „In jenen Tagen war kein König in Israel.“ Bei der ersten und letzten Erwähnung werden zusätzlich noch die Auswirkungen dieser Feststellung genannt: „Jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ (17,6; 21,25). Für den Verfasser des Richterbuches ist das also das Hauptproblem: Israel hat keine starke ordnende und leitende Hand. In den verbleibenden Kapiteln werden wir sehen, was die negativen Folgen dieses Umstands waren.
Weil Israel keinen König hat und jeder tut, was recht ist in seinen Augen, beten sie Gott nach ihren Vorstellungen an. In Kapitel 17 sehen wir Micha und seine Mutter. Sie lassen sich ein silbernes Gottesbild machen, das sie bei sich zuhause aufstellen. Dabei hatte doch Gott ausdrücklich verboten, dass sich die Israeliten kein Bild von ihm machen sollten (2. Gebot)! Wir sollen uns kein Bild von Gott machen, weil wir uns nicht Gott nach unseren Vorstellungen machen sollen. Gott ist so komplex, dass wir ihn unmöglich richtig darstellen können. Irgendeine Seite von ihm werden wir ignorieren. Genau die gleiche Gefahr besteht für uns heute auch. Sätze wie „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein liebender Gott Menschen ewig verdammen wird“ oder „Wenn Jesus im 21. Jahrhundert leben würde, würde er die Dinge auch anders sehen“ zeigen, dass wir Gott nach unseren Vorstellungen haben wollen. Am Ende bestimmt unsere Gesellschaft und Kultur, wie sich Gott zu verhalten hat.
Micha stellt das Gottesbild bei sich zuhause auf und stellt einen umherwandernden Leviten als Priester an. Dabei sollte doch Gott in seinem Heiligtum angebetet werden! Stattdessen baut sich Micha sein eigenes kleines Heiligtum. Er will schon Gott anbeten, aber bitte so, wie es ihm passt. Anstatt sich nach Gott und seinen Bestimmungen auszurichten, muss sich Gott Michas Vorstellungen unterordnen. Wo stehst du in der Gefahr, zwar äußerlich Gott zu suchen und anzubeten, aber letztlich betest du einen Gott nach deinen eigenen Vorstellungen an? Welche Gebote Gottes nimmst du ernst und welche sind für dich nicht so wichtig? Könnte es sein, dass du gerade an diesen Stellen dir Gott nach deinen Vorstellungen baust?
Gebet: Vater, du bist größer als unser Verstand begreifen kann. Du siehst meine Gefahr, dich „zähmen“ zu wollen, dich nach meinen Vorstellungen zu beschneiden, damit du besser zu meinen Wünschen passt. Hilf mir stattdessen, dir mit ganzem Herzen nachzufolgen, auch wenn es meinen Wünschen widerspricht. Amen.