Die Geschichte von Micha und seinem Hausgötzen geht weiter. Nun kommt noch der Stamm Dan hinzu, der nach einem Platz zum Wohnen sucht. Wieder werden wir zu Beginn des Kapitels erinnert: „In jenen Tagen gab es keinen König in Israel.“ Den Rest können wir uns denken.
Weil Israel keinen König hat und jeder tut, was recht ist in seinen Augen, suchen sie sich den einfachsten Weg, der sie von Gott wegführt. Es geht los mit dem Stamm Dan, der sein Erbteil im Land immer noch nicht eingenommen hat und halbnomadisch lebt. Nun wollen sie etwas an dieser unbefriedigenden Situation ändern. Dabei hatten sie doch einen Teil des Landes zugeteilt bekommen (Jos 19,40-48). Es ist sogar ein sehr gutes Land, jedoch lebten dort auch die Amoriter, die den Stamm Dan gar nicht erst eindringen ließen (Ri 1,34). Während alle anderen Stämme wenigstens teilweise ihr Land in Besitz nehmen, versagt Dan auf ganzer Linie. Wir erinnern uns: Der Grund dafür war der Unglaube der Israeliten. Was dann bedeutet, dass Dan am wenigsten Glauben von allen hatte.
Auf der Suche nach einem Ort zum Leben kommen sie zum Haus Michas und befragen seinen Privatpriester, ob Gott ihre Suche gelingen lässt. Sie fragen nach der Wegweisung Gottes, obwohl Gott doch schon längst gesagt hat, wo sie wohnen sollen! Aber anstatt sich auf einen Kampf einzulassen, wo sie Gott vertrauen müssen, finden sie die Stadt Lajisch, die sie leicht und ohne Gegenwehr einnehmen können. Sie suchen sich den Weg des geringsten Widerstands. Das gleiche denkt sich auch der Levit, der Michas Priester ist. Zuerst redet er den danitischen Kundschaftern nach dem Mund und verheißt ihnen Gottes Segen für ihr Unternehmen. Und als der ganze Stamm Dan in Richtung Lajisch zieht und dieser ihm anbietet, Priester für den ganzen Stamm zu werden anstatt nur für eine Familie, geht er ohne Widerrede mit. So schnell kann man Karriere machen: Vom umherwandernden Leviten in kurzer Zeit zum geistlichen Führer eines ganzes Stammes! Beide, sowohl die Daniten als auch der Levit, gehen den einfachsten Weg, der größtmöglichen Erfolg für sie verspricht. Jedoch ist dieser Weg direkter Ungehorsam gegen Gottes Anweisungen: Dan hatte eigenlich sein zugeteiltes Stammesgebiet. Und es gab bereits einen Ort, wo das Heiligtum war und wo Gott angebetet werden sollte, in Schilo. Dan und der Levit ignorieren das alles und lassen sich an der äußersten nördlichen Grenze des Landes nieder. Dort führen sie ihren Götzendienst fort. Als später Israel in Nord- und Südreich geteilt wird, wird von König Jerobeam in Dan ein Stierbild aufgestellt und die Stadt wird zum Pilgerort für seine verdrehte Gottesverehrung. Bis zur Wegführung des Nordreiches durch die Assyrer bleibt Dan das Zentrum einer falschen Gottesanbetung. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass der Stamm Dan in der Offenbarung bei der Aufzählung der erlösten Stämme Israels im Himmel nicht mit auftaucht (Offb 7,4–8).
Die Daniter haben nicht irgendwann beschlossen, sich explizit von Gott abzuwenden. Aber viele kleine Entscheidungen, die einzeln betrachtet gar nicht so schlimm erschienen, haben sie dahin gebracht. Der Weg des geringsten Widerstands ist oft keine krasse Sünde, denn das würde uns ja sofort auffallen. Aber kleine Kompromisse, um nicht anzuecken, führen uns auf lange Sicht in eine Richtung, die wir ursprünglich nie wollten. Es ist einfacher, sich an stressigen Tagen direkt in seine Aufgaben zu stürzen als mir Zeit mit Gott zu nehmen, aber damit zeige ich meinen Unglauben, dass ich getrennt von Gott nichts tun kann. Es ist einfacher, auf Arbeit einen Fehler zu verschweigen anstatt dafür gerade zu stehen, aber damit zeige ich meinen Unglauben, dass Gott sich auf die Seite der Demütigen und Ehrlichen stellt. Es ist einfacher, am Ende des Monats das Geld an Gott abzugeben, was noch übrig ist, anstatt ihm „das Erste und das Beste“ zu geben, aber damit zeige ich meinen Unglauben, dass Gott mich versorgen und mir nichts mangeln wird. Glauben wir wirklich, dass es uns besser geht, wenn wir es nicht so ernst mit Gottes Willen nehmen müssen, als wenn wir ihm ganz vertrauen?
Gebet: Vater, ich drifte im Alltag so schnell zu einer ungläubigen Haltung und vertraue nicht dir und deinen Zusagen. Vergib mir, dass ich so oft meine, es selbst besser zu wissen als du, und dass ich mehr meinem Verstand vertraue als dir. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“