Ruhen nach Gottes Plan

Die aktuell stattfindende Allianz-Gebetswoche steht unter dem Motto „Der Sabbat – Leben nach Gottes Rhythmus“. Ein tolles und wichtiges Thema, wie ich finde. Das Prinzip des Ruhetages ist extrem wichtig und in unserer Zeit dringend benötigt. Selbst im nichtreligiösen Bereich haben „Sabbaticals“ und „Auszeiten“ mittlerweile einen festen Platz. Weil wir merken, dass die Art und das Tempo, mit dem unsere Gesellschaft in den letzten 30-40 Jahren gelebt hat, nicht gesund sind. Vor einem Jahr habe ich bereits in einem Artikel über den Sabbat darüber geschrieben, wie es in unserer Kultur darum geht, so produktiv und effektiv wie möglich zu sein. Möglichst jede freie Minute soll sinnvoll verwendet werden.

Vor einiger Zeit habe ich einen sehr guten Artikel von Tim Keller über „Weisheit und die Sabbatruhe“ gelesen (hier gehts zum englischen Original). Aus dem aktuellen Anlass der Gebetswoche möchte ich einige Themen aus diesem Artikel hier zusammenfassen und weitergeben.

Worum es beim Sabbat geht

Als Christen sollen wir unsere Zeit weise nutzen (Epheser 5,15-16). Für viele bedeutet das, so viel wie möglich in der vorhandenen Zeit zu schaffen. Und in gewisser Weise ist das auch richtig. Jesus stellt nicht den Knecht als nachahmenswertes Vorbild vor, der nichts mit seiner Zeit und seinen Fähigkeiten angefangen hat, sondern den, der an die Arbeit gegangen ist und Gewinn erzielt hat (Matthäus 25,14-30). Leistungsorientierte Christen verfallen dann aber schnell in das Extrem, alles Mögliche tun zu wollen. Und schnell merken wir, dass am Ende des Tages noch viele unerledigte Aufgaben auf unserer Liste stehen. Doch Gott gibt uns nicht mehr zu tun, als wir tatsächlich schaffen können. Keller schreibt, dass er selbst jahrelang damit gekämpft hat, denn es gab immer noch mehr zu tun.

Beim Sabbat geht es deshalb auch um mehr als nur Ruhe von der Arbeit. In der Schöpfungsgeschichte lesen wir, dass Gott nach sechs Tagen Arbeit am siebten Tag ruhte. Aber er ruhte nicht nur, sondern er schaute sich an, was er erschaffen hatte und sah, dass es „sehr gut“ war (1.Mose 1,31). Er hält inne und freut sich an seinem Werk. Ebenso sollen auch wir am siebten Tag von unserer Arbeit innehalten und uns an dem Ergebnis freuen.

Es ist interessant, womit Gott das Sabbatgebot gegenüber dem Volk Israel begründet. In 2.Mose 20,8-11 begründet er es mit seinem Ruhen nach vollendeter Schöpfung:

„Sechs Tage sollst du arbeiten …, aber der siebte Tag ist Sabbat für den HERRN, deinen Gott. … Denn in sechs Tagen hat der HERR den Himmel und die Erde gemacht … und er ruhte am siebten Tag.“

Wir sollen ruhen, weil auch Gott ruht. Aber bei der Wiederholung des Gesetzes in 5.Mose 5 gibt es eine andere Begründung:

„Sechs Tage sollst du arbeiten und all deine Arbeit tun; aber der siebte Tag ist Sabbat für den HERRN, deinen Gott. … Und denke daran, dass du Sklave warst im Land Ägypten und dass der HERR, dein Gott, dich mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm von dort herausgeführt hat! Darum hat der HERR, dein Gott, dir geboten, den Sabbattag zu feiern.“ (V.13-15)

Hier verknüpft Gott den Sabbat mit der Befreiung aus Ägypten. Weil die Israeliten frei sind und nicht mehr Sklaven, können sie ruhen. Als sie Sklaven waren, hatten sie diese Möglichkeit nicht. Keller schreibt: „Jeder, der nicht ruhen kann, ist ein Sklave – vom Streben nach Erfolg, von einer materialistischen Kultur, von ausbeutenden Arbeitgebern, von Erwartungen der Eltern oder von allem genannten. … Der Sabbat ist eine Freiheitserklärung.“ So wie die Israeliten frei waren, sind auch Christen frei. Christus hat uns frei gemacht, unsere Identität und unser Wert liegen in ihm begründet. Wir sind nicht mehr Sklaven unserer Arbeit, Produktivität oder der Erwartung Anderer. Deshalb können wir ruhen und einen Tag lang nichts tun. Dietrich Bonhoeffer sagte:

„Die Feiertagsruhe ist das sichtbare Zeichen dafür, dass der Mensch aus der Gnade Gottes und nicht aus Werken lebt.“

Deshalb geht es am Sabbat nicht nur um körperliche Ruhe, sondern auch um innere, seelische Ruhe. Für diese Ruhe brauchen wir das Vertrauen auf Jesus Christus, den „Herrn des Sabbats“ (Markus 2,28). Er hat schon alles vollbracht und nur er kann uns wirkliche Ruhe geben. Indem wir an einem Tag in der Woche wirklich ruhen, zeigen wir auch, dass wir eine noch größere und bessere Ruhe erwarten. Wie es der New City Katechismus sagt, drücken wir durch die Einhaltung des Ruhetages „unsere Erwartung auf die ewige Ruhe in Gottes Herrlichkeit“ aus. Wir können schon jetzt auf der Erde jede Woche einen kleinen Vorgeschmack auf die ewige Ruhe in Gottes Gegenwart bekommen. Wer will das nicht erleben?

Was das praktisch bedeutet

Wie können wir nun den Ruhetag praktisch gestalten, sodass wir sowohl körperlich als auch seelisch zur Ruhe kommen? Zunächst stellt sich bestimmt erstmal die Frage, wie viel Ruhe man sich denn nehmen sollte. In den Zehn Geboten gebietet Gott den Israeliten einen vollen Tag, von Sonnenuntergang am Freitag bis zum Sonnenuntergang am Samstag. Keller meint, dass es weise ist, mindestens einen vollen Tag pro Woche freizuhaben und nochmal zusätzlich das Äquivalent von einem halben Tag unter der Woche. Ich habe für mich festgelegt, dass ich neben meinem vollen Ruhetag an nur zwei Abenden in der Woche nach dem Abendessen noch „arbeiten“ werde (Gemeindearbeit, sehr denk-intensive Aufgaben). Verplane ich mehr Abende, fühle ich mich schnell gestresst und abgespannt.

Um zur Ruhe zu kommen, sollten wir wirklich nichts geplant haben. Ein Ruhetag, an dem sich ein Termin an den anderen reiht (Gottesdienst, Ausflug am Nachmittag, Besuch am Abend), wird nur schwerlich seinem Namen gerecht. Wir brauchen ungeplante und unstrukturierte Zeit. Zeit, in der aus unserem Herzen und unseren Gedanken was auch immer hervorkommen kann. Das bedeutet nicht zwingend, dass wir nichts machen. Es ist gut, wenn wir uns mit Dingen beschäftigen, die uns beleben und abschalten und zur Ruhe kommen lassen. Das können auch Aktivitäten sein, die für andere als Arbeit zählen würden, für uns aber der Erholung dienen. Ich habe schon manchmal am Sonntag an einem Blogartikel geschrieben, weil ich gerade Lust und Muse dazu hatte und es mir geholfen hat zu entspannen. An manchen Ruhetagen lese ich gern in einem christlichen Buch; an anderen ist es auch mal nur ein Agatha Christie-Krimi.

Wir sollten bei allen Aktivitäten nur darauf achten, dass wir zum einen Ruhe für unsere Gedanken bekommen. Der Sabbat ist schließlich der Tag des Herrn, also sind Anbetung und Gemeinschaft mit Gott essentielle Bestandteile dieses Tages. Wir sollten uns bewusst Zeit in der Stille mit Gott nehmen, bei ihm zur Ruhe kommen und die hektischen Gedanken der Woche bei ihm abladen. Zum anderen brauchen wir Erholungsaktivitäten, die nicht besonders aufwändig und ressourcenintensiv sind und uns wirklich auftanken lassen. Und schließlich brauchen wir Zeit für Schönheit. Gott hat die Welt sehr gut und schön gemacht und das sollen wir genießen können. Das heißt, dass man vielleicht in der Natur unterwegs ist oder sich Zeit für Kunst nimmt.

Wie der Ruhetag gestaltet wird, ist natürlich auch immer stark von der eigenen Persönlichkeit abhängig. Während ein extrovertierter Mensch sich schon die ganze Woche auf die Zeit für Besuche am Sonntag freut, klingt das für einen introvertierten eher nach purem Stress. Wenn in einer Familie sehr unterschiedliche Persönlichkeiten aufeinandertreffen, muss intensiv darüber gesprochen werden, wie denn der Ruhetag für alle erfüllend gelebt wird.

Eine Anregung möchte ich explizit noch geben: Wir sollten nicht nur von unserer Arbeit und unserem Tun ruhen, sondern in unserer Zeit wird es auch immer wichtiger von Technologie zu ruhen. Ich bin der Meinung, dass unser ständiges Vernetztsein auf Dauer nicht gut für uns ist. Über die negativen Auswirkungen des mittlerweile „normalen“ Smartphone- und Internetgebrauchs wird immer mehr bekannt und berichtet. Ich finde, der Ruhetag ist eine gute Gelegenheit, die virtuelle Welt abzuschalten und sich stattdessen auf „reale“ Erlebnisse und Begegnungen zu fokussieren.

Bei allen praktischen Überlegungen müssen wir uns immer wieder bewusst machen, dass die Einhaltung des Ruhetages zuerst eine Herzenssache ist. Es geht zuerst um die innere Haltung, erst danach um die äußeren Handlungen. Es ist unser wöchentliches Anerkennen, dass nur Gott Gott ist, wir sind es nicht. Wir zeigen mit unserer Ruhe, dass wir ihm vertrauen und bekennen: „Mit unsrer Macht ist nichts getan.“ In einer leistungsorientierten Gesellschaft ist das zunächst ein erschreckender Gedanke. Aber wenn wir statt auf unsere Leistung auf Gott schauen, dann ist es unglaublich befreiend. Somit geht es am Ruhetag letztendlich um Freude. Wir freuen uns an Gott, an dem, was er getan hat und an dem, was wir durch seine Kraft und Gnade geschafft haben. Und wir freuen uns an der Freiheit, die wir im Evangelium erfahren. Ein Tag pro Woche, der nur für die Freude reserviert ist. Wer will das nicht erleben?


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