Manchmal wäre ich gern jemand anders

Ich habe eine ziemlich schwierige Beziehung zu Persönlichkeitstests. Auf der einen Seite bin ich ein großer Freund von ihnen. Es hat einen besonderen Reiz für mich, ein auf Daten basiertes, objektives Bild meines Selbst zu sehen. Etwas Belastbares über mich selbst in der Hand zu haben, anstatt bloßer Gefühle und Meinungen, wie ich denn sei. Und gleichzeitig habe ich aber auch ein Problem mit diesen Tests. Denn meine Wahrnehmung wie ich bin (basierend auf dem Wunsch wie ich gern wäre) und das Ergebnis passt manchmal nicht so ganz zusammen. Oder ich sehe Leute, die ich bewundere und denen ich gern ähnlich wäre, und sie haben eine ganz andere Persönlichkeit als ich. Ich möchte dafür zwei Beispiele bringen:

Ein Persönlichkeitstest, den ich nun schon mehrmals gemacht habe, ist der DISG-Test. Ich will gern ein Leiter und Vorangeher sein; jemand, der ein großes Ziel verfolgt und dahin Menschen mitzieht. Das Ergebnis dieses Tests ist aber immer wieder, dass ich bei weitem nicht der menschenorientierte und mitreißende Typ bin, der ich denke sein zu müssen.

Als es vor zwei Jahren auf der STEPS-Konferenz um das Thema Evangelisation ging, gab es in dem Begleitheft einen Evangelisationstypen-Test. Viele Leute, die ich toll finde und bewundere, waren „Motivatoren“; Menschen, deren Evangelisation von Flexibilität und Liebe & Beziehung geprägt ist. Ich dagegen saß auf der Grenze von „Stratege“ und „Bewahrer“, eher sach- statt menschenorientiert. So enttäuschend das im ersten Moment auch für mich war, spiegelt das Ergebnis doch viel besser mein Wesen wider als mein Wunschdenken.

Was will ich mit diesen Beispielen ausdrücken? Persönlichkeitstests sind nützlich als eine Hilfe, um sich selbst besser kennenzulernen und einzuschätzen. Gute Tests mit einer ausführlichen Auswertung des Ergebnisses zeigen auf, welche Vorteile und Stärken meine Persönlichkeit bietet. Auch wenn man manchmal nur das Negative sieht, so gibt es doch immer auch positives; Eigenschaften, die andere nicht haben und die in einem Team dringend benötigt werden. Solche Tests helfen auch zu überlegen, ob der Platz, an dem ich gerade stehe und die Aufgaben, die ich gerade mache, wirklich meinem Profil entsprechen oder ob ich nicht an anderer Stelle einen besseren Beitrag leisten könnte.

Gleichzeitig können solche Tests aber auch eine gewisse Gefahr beinhalten. Nämlich dann, wenn ich mich auf dem Ergebnis ausruhe und unzulässigerweise weniger starke Merkmale ignoriere. Was meine ich damit? Ich werde nie der Mensch sein, der in einem Team immer wieder mit neuen Ideen um die Ecke kommt. Das heißt aber nicht, dass ich mir deshalb keine Gedanken über sinnvolle Veränderungen machen soll. Ich werde nie der extrovertierte und offene Typ sein, der locker auf andere Menschen zugeht, mit ihnen redet und leicht Beziehungen knüpft. Das heißt aber nicht, dass ich mich deshalb in meinem Studierzimmer einschließen darf und dass mir die Außenwelt und die anderen Menschen egal sein dürfen. Als Christ fordert Gott mich heraus, meinen Nächsten zu lieben, Salz und Licht in dieser Welt und ein Botschafter des Evangeliums zu sein.

Wenn es dir ähnlich geht wie mir, dann bist du manchmal unzufrieden mit der Persönlichkeit oder den Gaben, die Gott dir gegeben hat. Wir vergleichen uns nur zu oft mit anderen Menschen und tun das meist „nach oben“, d. h. wir vergleichen uns mit Leuten, die besser sind oder mehr haben oder können als wir. Wir sehen zu häufig nur das, was wir nicht können und was der Andere hat. Viel seltener fällt uns auf, was wir denn haben, das dem Anderen fehlt. Vor einiger Zeit hat Gott mich darüber neu ins Nachdenken gebracht, als ich 1. Korinther 12,11 las. Da steht in Bezug auf die Gaben, die Gott uns schenkt: „Er teilt jedem besonders aus, wie er will.“ Gott hat also festgelegt, welche Gaben du und ich bekommen sollten. Und er hat auch festgelegt, welche Persönlichkeiten wir haben. Und wir müssen davon ausgehen, dass Gott keine Fehler macht. C.S. Lewis hat mal geschrieben, dass wir, um eine Sache gut oder schlecht nennen zu können, ihren Zweck kennen müssen. Ein Hammer ist gut dafür, Nägel in ein Brett oder eine Wand zu klopfen. Aber er ist sehr schlecht dafür geeignet, eine Wand zu streichen. Weil wir aber mit einem Hammer keine Wand streichen können, heißt das nicht, dass er deshalb schlecht ist. Er wird von uns nur zu einem nicht vorgesehenen Zweck verwendet und funktioniert deshalb dafür nicht gut. Genauso hat Gott uns zu einem bestimmten Ziel und Zweck geschaffen und uns dementsprechend unsere Persönlichkeiten und Gaben gegeben. Wenn wir nun unzufrieden sind mit der Art, wie er uns geschaffen hat, dann zeigt das, dass wir ein falsches Ziel verfolgen. Es zeigt, dass unser Lebensziel ein anderes ist als das, was Gott sich für uns vorgestellt hat. Oft ist es nämlich so, dass unser Ziel unsere eigene Ehre ist. Wir wollen stolz auf uns sein, bei anderen gut dastehen, Anerkennung für unser Tun bekommen und so weiter. Gottes Ziel mit uns ist jedoch, dass wir ihn verherrlichen und unseren Mitmenschen dienen. Wenn der Dienst für die Menschen in meinem Umfeld und für die Gemeinde mein Fokus ist, dann kann ich ruhig und zufrieden sein in dem Wissen, dass Gott mir genau die Persönlichkeit und die Gaben gegeben hat, die ich für meine Aufgabe brauche. Das heißt nicht, dass ich nicht auch Dinge außerhalb meiner Komfortzone tun soll. Aber ich muss nicht mehr versuchen, jemand zu sein, der ich gar nicht bin. Also können wir Gott bitten, dass er an unseren Schwächen arbeitet und ihm von Herzen dafür dankbar sein, dass er uns so geschaffen hat, wie wir sind.

Passend dazu habe ich im Newsletter von James Clear eine Frage gelesen, die ich auch dir am Ende mitgeben will:

Was ist eine meiner natürlichen Gaben und wie kann ich mehr Zeit dafür verwenden sie zu nutzen?


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