Warum ist es so wichtig, dass Gott heilig ist?

Wer ist Gott? Und wie ist Gott? Diese Frage stellen sich Christen (und auch Nichtchristen) immer wieder. Was macht Gott aus? Um Gott und den christlichen Glauben richtig erfassen zu können, müssen wir die Heiligkeit Gottes verstehen. R.C. Sproul ist „davon überzeugt, dass sie zu den wichtigsten Problemen gehört, mit denen ein Christ ringen muss.“ Er selbst hat als junger Mann während seines Studiums eine krasse Begegnung mit dem heiligen Gott gehabt, die der Ausgangspunkt seines weiteren Dienstes wurde. Und um anderen Christen zu helfen die Heiligkeit Gottes zu verstehen, hat er das Buch Die Heiligkeit Gottes geschrieben.
Sproul beginnt mit seinem eigenen Erlebnis der Gegenwart des heiligen Gottes. Nachts in einer Universitätskapelle hat er seinen ganz persönlichen „Jesaja 6“-Moment. Dieser Eindruck der Heiligkeit Gottes prägt ihn für den Rest seines Lebens; so sehr, dass dieses Thema der rote Faden seines jahrelangen Dienstes für Gott wird. Anhand von Jesaja 6 beschreibt er, was die Heiligkeit Gottes ist und was sie bedeutet. Diese Eigenschaft ist die einzige, die in der Bibel dreimal wiederholt wird. Nur von ihr wird gesagt, dass Gott „heilig, heilig, heilig“ ist (Jesaja 6,3). Das Wort „heilig“ hat zwei Bedeutungen: zum einen die von Reinheit, Perfektion, frei von jeder Verunreinigung und jedem Makel. Diese Definition ist auch am ehesten bekannt. „Heilig“ bedeutet aber auch abgesondert sein. Gott ist nicht nur rein und perfekt, sondern er ist auch absolut anders und abgesondert von den Menschen.
Und mit dieser Andersartigkeit und Abgesondertheit können wir nicht umgehen. Denn angesichts eines wirklich makellosen Wesens merken wir, dass wir in keiner Weise dazu passen. Weil wir alles andere als perfekt und fehlerlos sind. Jesaja geht es genauso. Als Prophet war es seine Aufgabe gewesen, anderen Menschen Gottes Worte und sein Urteil über sie mitzuteilen. Aber als er mit der Heiligkeit Gottes konfrontiert wird, spricht er sich selbst das Urteil aus und sagt: „Wehe mir, ich bin verloren.“ (Jesaja 6,5) Angesichts des vollkommenen Maßstabs Gottes kann Jesaja keine gute Meinung mehr von sich haben. Im Vergleich zu anderen Menschen können wir vielleicht ganz gut dastehen und gut wegkommen, aber im Vergleich zu Gott ist es unmöglich, diese Sicht von sich selbst aufrecht zu erhalten.
Martin Luther machte fast genau die gleiche Erfahrung wie Jesaja. Im Buch wird berichtet, wie Luther während einer Gottesdiensthandlung bewusst wurde, mit was für einem Gott er es zu tun hatte. Rückblickend dazu schrieb er:

Bei diesen Gedanken war ich gänzlich benommen und mit Schrecken erfüllt. Ich dachte bei mir: „Mit welcher Zunge soll ich [eine] solche Majestät anreden, da ich sehe, dass alle Menschen in Gegenwart schon eines irdischen Fürsten zittern? Wer bin ich, dass ich meine Augen oder meine Hände zu der göttlichen Majestät aufheben dürfte?“ Die Engel umgeben ihn. Auf seinen Wink erbebt die Erde. Und soll ich elender, kleiner Zwerg sagen: „Ich brauche dies, ich bitte um das?“ Denn ich bin Staub und Asche und voller Sünde und ich rede zu dem lebendigen, ewigen und wahren Gott.

Sproul ist die Heiligkeit Gottes deshalb so wichtig, weil es ohne sie kein Evangelium gibt und auch nicht braucht. Wir haben mit Gottes Reinheit so große Probleme, weil sie so anders ist als unser Charakter. Weil wir instinktiv wissen, dass wir schuldig sind, laufen wir vor dem heiligen Gott davon. Sünde ist nicht zuerst, dass wir etwas Schlechtes getan haben, eine rein äußerliche Handlung. Sondern Sünde ist ein Treuebruch gegen Gott. Sproul bezeichnet sie als „ein Akt äußerster Undankbarkeit gegenüber dem einen, dem wir alles schulden, dem wir selbst unser Leben verdanken“ (S. 132). Wenn wir nun eine falsche Sicht auf Gottes Heiligkeit haben, werden wir dementsprechend auch ein falsches Bild von uns und unserer Schuld ihm gegenüber haben. Dann denken wir, dass das alles ja gar nicht so schlimm ist, dass Gott uns doch irgendwie vergeben muss, dass er doch gnädig sein muss. Aber weil Gott ja heilig ist, ist er auch gerecht (eine Eigenschaft, an die gern appelliert wird, solange es nicht die eigene Schuld betrifft). Und weil er gerecht ist, kann er Sünde, also Schuld, nicht einfach ungestraft lassen. Angesichts der anhaltenden Sünde der Menschen muss man sich also viel eher die Frage stellen, warum Gott sich das überhaupt so lange anschaut und duldet. Vor dem Hindergrund von Gottes Heiligkeit, die Sünde nicht dulden kann, und seiner Gerechtigkeit, die Sünde bestrafen muss, ist seine uns geschenkte Gnade umso unbegreiflicher. Wenn wir Gottes Heiligkeit nicht als den Kern seines Wesens erkennen, denken wir schnell (wie es sehr verbreitet ist), dass seine Gnade selbstverständlich ist, während wir mit seiner Gerechtigkeit und Bestrafung Probleme haben. Begreifen wir aber, was es bedeutet, dass Gott heilig ist, dann dreht sich das Bild. Dann sehen wir, dass Gott jedes Recht hätte uns zu bestrafen und dass es absolut unbegreiflich ist, warum er uns dennoch gnädig ist. Das bewahrt uns auch davor, einen falschen Anspruch auf seine Gnade zu entwickeln. Da Gnade per Definition ein unverdientes Geschenk ist, kann man sie nicht rechtmäßig einfordern. Auf Geschenke hat man kein Anrecht. Also bleibt uns nur das Staunen und die Dankbarkeit für die Errettung, die Gott uns durch Jesus möglich gemacht hat.
Und wenn wir unser Vertrauen auf Jesus gesetzt haben und er uns errettet hat, dann sind wir Heilige! In einer krassen Umkehrung werden wir von sündigen, für Gott abstoßenden Menschen zu Heiligen, die in seine Gegenwart kommen dürfen und an denen er seine Freude hat. Wir verhalten uns zwar nicht immer so, aber das ändert nichts an unserer neuen Identität. Wir können seinen Anspruch an uns („Seid heilig, denn ich bin heilig!“ 1.Petrus 1,15-16) gerecht werden! Nicht, weil wir so gut wären, sondern weil er selbst uns in diese Stellung versetzt hat. Spätestens hier wird deutlich, dass Gottes Heiligkeit und Liebe sich nicht widersprechen, sondern untrennbar miteinander verbunden sind; die Liebe sogar die Folge seiner Heiligkeit ist. Was für ein Gott!


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