I3 – Interessantes im Internet: 13.04.21

Herzlich willkommen zu „Interessantes im Internet“: drei Artikel, Videos, Podcasts oder ähnliches, die ich in dieser Woche entdeckt habe.

Das Geheimnis hinter Spurgeons Erfolg

Clint Archer schreibt auf The Crippled Gate (englisch) über das Fundament unter Charles Spurgeons fast schon übernatürlichen Erfolges als Prediger. Auch wenn seine natürliche Begabung und herausragende Leistungsfähigkeit sicherlich hilfreich waren (Spurgeon arbeitete oft bis zu 18 Stunden am Tag, war sprachgewandt, hatte eine mächtige Stimme und ein fotografisches Gedächtnis), so waren sie doch nicht der eigentliche Grund seines Erfolges.

Aber jede biografische Arbeit, die Spurgeons Erfolg im Dienst auf seine Begabung zurückführt, erweist den Tatsachen einen schlechten Dienst. Diejenigen, die ihm nahe standen, sagten, dass Spurgeon selbst seinen Erfolg nur einer seiner Aktivitäten zuschrieb.
Es war nicht das Predigen, oder das Schreiben, oder die Vorbereitung oder das Studium; es war das Gebet.

Für uns Pastoren und andere Christen, die das Gefühl haben, dass wir weniger begabt und fähig sind als Charles Spurgeon, sollte uns diese Erkenntnis Hoffnung geben. Jedes Handicap, das wir in uns haben, kann leicht durch die Anstrengung und den Eifer und Hingabe, die wir unserem Gebetsleben widmen, ausgeglichen werden.

Nietzsche hatte recht

Evangelium21 hat Timothy Kellers Rezension für das neue Buch Herrschaft: Die Entstehung des Westens des Historikers Tom Holland übersetzt. Holland beschreibt, wie die westliche Kultur maßgeblich vom Christentum geprägt wurde und wie die christlichen Werte auch heute noch unsere Gesellschaft grundlegend prägen.

Grundsätzlich gilt, dass sich die Relevanz von Hollands neuem Buch Herrschaft: Die Entstehung des Westens kaum überschätzen lässt. Holland argumentiert gut lesbar und außerordentlich gut dokumentiert, dass die zentralen Werte und Prioritäten der modernen, westlichen, säkularen Kultur tatsächlich dem Christentum entstammen. Und selbst in der heutigen Zeit, in der der Großteil der gebildeten Schichten das Christentum aufgegeben hat und die Religiosität auch in der Bevölkerung stark rückläufig ist, hat das Christentum einen so anhaltenden und durchdringenden Einfluss, dass wir die Kirche nicht für ihr Versagen verurteilen können, ohne uns dabei auf christliche Lehren und Überzeugungen zu berufen.

Nietzsche hatte bereits vorausgesagt, dass wenn Gott tot ist, für unsere moralischen Werte keine Basis mehr vorhanden ist.

In einer langen, aber zugänglichen Darstellung entfaltet Holland einen Grundgedanken, der erstmals von Friedrich Nietzsche (1844-1900) formuliert wurde. Nietzsche sah, wie die Gebildeten Europas dem Christentum den Rücken kehrten und sich als wissenschaftliche Freidenker stilisierten, die angeblich ohne Gott lebten. Allerdings, argumentierte Nietzsche, glaubten sie immer noch an Menschenrechte, die Würde eines jeden Menschen, den Wert der Armen und Schwachen und an die Notwendigkeit, sich um sie zu kümmern und für sie einzutreten. Sie glaubten immer noch, dass Liebe ein großer Wert ist und wir unseren Feinden vergeben sollten. Sie glaubten immer noch an moralische Absolute – dass manche Dinge gut und andere Dinge böse sind – und insbesondere daran, dass es falsch ist, die Machtlosen zu unterdrücken.
Allerdings sind all diese Ideen, so Nietzsche, unverwechselbar christlich. Sie haben sich nicht in östlichen Kulturen entwickelt und die Griechen und Römer empfanden sie, als sie mit ihnen konfrontiert wurden, als lächerlich und unverständlich.

Tom Holland räumt in jedem Kapitel mit gängigen Mythen über Christentum und Säkularismus auf. In keiner Weise lässt er die Kirche vom Haken für ihre unzähligen Versäumnisse. Auch lässt er säkulare Menschen nicht mit der Illusion leben, dass ihre Werte einfach selbstverständlich sind, das Ergebnis von Vernunft und wissenschaftlicher Untersuchung.

Ich bin sehr gespannt auf dieses Buch und freue mich schon darauf, wenn ich es (hoffentlich) im Lauf diesen Jahres lesen kann.

Carpe diem

Noch einmal ein Artikel von Evangelium21, in dem Ron Kubsch Einblicke in den Tagesablauf und die unglaubliche Produktivität des Reformators Heinrich Bullinger gibt.

„Was dieser Mann im Druck geschrieben hat, erfordert nur zum einfachen Lesen fast ein ganzes Menschenleben. Das, was er geschrieben hat und nicht gedruckt wurde, ist nicht weniger.“

Dabei hat Zwinglis Schüler kein stilles Schriftstellerleben geführt. Familie und Pastorat verlangten von ihm Außergewöhnliches ab. Bullinger wollte seine Familie immer in seiner Nähe haben. Er sorgte deshalb dafür, dass seine Frau Anna und die elf Kinder beim Großmünster, seinem Arbeitsplatz, lebten. Den akribischen Aufzeichnungen im Diarium, eine Art Tagebuch, ist zu entnehmen, dass er nach seiner Berufung zum Antistes[3] der Züricher Kirche von der Predigtlast fast erdrückt worden ist. Bullinger predigte wöchentlich bis 1538 sechs bis acht Mal. Er setzte sich gründlich mit der ganzen Schrift auseinander und legte das gesamte Neue Testament und weite Teile des Alten Testaments aus.[4]

Und auch wenn er jeglichen „Müßiggang“ vermied und bereits zwischen 3 und 4 Uhr morgens aufstand (er ging aber auch schon 9 Uhr abends schlafen), bestand sein Tag doch nicht aus pausenloser Schufterei.

Bullinger erkannte die Wichtigkeit von Erholungszeiten. So empfahl er, „dass man jeden Tag vor dem Mittagessen einen Appetit anregenden Spaziergang machen sollte, um den Magen zu erwärmen“.[8] „Nach dem Mittagessen gab es einen zweiten Spaziergang, da diese Zeit, die Zeit der Verdauung, für die Studien und das Lesen nicht günstig ist.“[9] Das Abendessen nahm er gegen 5 Uhr ein, um genug Zeit für einen dritten Spaziergang zu haben. Erholungspausen waren ihm wichtig. Deshalb plante er sie so fest ein wie die Arbeitszeiten. Denn: Entspannung und Bewegung steigern die Leistungsfähigkeit.