Gehen oder Bleiben?

Als ich neulich die Apostelgeschichte und die ersten Paulusbriefe las, bin ich über die unterschiedlichen Berufungen der Apostel gestolpert. Paulus beschreibt in Römer 15,18-24, wie er von Jerusalem aus bis ins heutige Kroatien überall im östlichen Mittelmeerraum das Evangelium verkündet hat. Er hat also dort keine Arbeit mehr, deshalb will er weiterreisen nach Spanien. Er war unglaublich viel unterwegs und gab sich mit dem Erreichten nicht zufrieden.

Auf der anderen Seite aber sehen wir auch Jakobus, den Bruder von Jesus. In Galater 2,9 wird er als eine der Säulen der Jerusalemer Gemeinde bezeichnet. Dem biblischen und kirchengeschichtlichen Befund nach blieb er während seines Dienstes in Jerusalem und kümmerte sich um die Gemeinde, bis er dort umgebracht wurde. Von ihm lesen wir nirgends, dass er eine Missionsreise unternommen hätte.

Genauso gibt es in unseren Gemeinden noch beide Gruppen von Christen. Die einen werden herausgefordert, wie Paulus an die „Enden der Erde“ zu gehen; dorthin, wo noch niemand von Jesus gehört hat, um da Gottes Reich zu bauen. Und die anderen werden herausgefordert, wie Jakobus „zuhause“ vor Ort zu bleiben und dort Gemeinde zu bauen. Die Herausforderung besteht darin, beide Richtungen im Blick zu haben und sie nicht gegeneinander auszuspielen. Dass Einzelpersonen unterschiedliche Schwerpunkte in ihrem Blick auf den Dienst haben, ist verständlich. Aber Gemeinden sollten beides beachten: Es braucht Leute, die in der Ortsgemeinde bleiben und sich bewusst dafür entscheiden, um sie mitzugestalten und langfristig voranzubringen. Und gleichzeitig braucht es Leute, die bereit sind zu gehen und das Evangelium dorthin zu bringen, wo man es noch nicht gehört hat.

Weder die vielen Nöte vor Ort noch die wenigen Arbeiter auf dem weltweiten Feld sind wichtiger als das andere. Wir müssen beides im Blick haben. Beides ist wichtig und muss beachtet werden. Aber egal, wo wir arbeiten: An dem Ort, wohin Gott uns berufen hat, sollen wir uns mit ganzer Hingabe einsetzen.