Staubsaugerverkäufer oder Gärtner?

Anderen Leuten von meinem Glauben zu erzählen, fällt mir extrem schwer. Das hat viele Gründe, nicht zuletzt auch meine eigene Bequemlichkeit und die Furcht „dumm dazustehen“. Ein anderer Grund ist, dass ich aufgewachsen bin mit einem so hohen Anspruch an „Evangelisation“, dass ich mir sicher war, den gar nicht erfüllen zu können und es deshalb lieber gleich ließ. Diese Aufgabe war eindeutig nur etwas für Extrovertierte. Und das war ich gar nicht. Die Vorstellung mit wildfremden Leuten über tiefe persönliche Überzeugungen zu sprechen, war für mich einfach der reine Albtraum. Meine Vorstellung, das Bild in meinem Kopf, sah so aus, dass ich der Person das ganze Evangelium erklären und sie hin bis zu einer Entscheidung für oder gegen Jesus führen muss. Einmal das Komplettpaket innerhalb von drei Minuten rüberbringen. Wie ein Staubsaugerverkäufer „den Deal abschließen“. Das bedeutet natürlich, dass man selbst die ganze Zeit reden muss, weil man will ja sein Anliegen rüberbringen. Ich bin halt aber einfach mal nicht wirklich gut in persönlichen Gesprächen. Schon bei den einfachsten und unverfänglichsten Themen weiß ich oft schnell nicht mehr, was ich noch sagen kann. Wie viel mehr bei so einer großen und wichtigen Sache? Und dazu kommt noch die Angst, nicht alle Antworten auf mögliche Rückfragen zu haben. Mich mit meinem Unwissen zu blamieren und so ein schlechter Botschafter für Christus zu sein.
Ich weiß nicht, wie es dir bei dem Gedanken deinen Glauben weiterzugeben, geht. Ob du gern mit anderen Leuten darüber redest oder solche Gespräche scheust. Ob du dich freudig in neue Gelegenheiten stürzt oder das lieber den Leuten mit der „Gabe der Evangelisation“ überlässt. Ich würde mich gern mit dieser Ausrede aus der Affäre ziehen. Hab ich in der Vergangenheit auch gemacht. Ich bin halt einfach kein Evangelist. Aber das ändert nichts daran, dass jeder Christ ein „Botschafter“ ist (2Kor 5,20) und den Auftrag hat Jünger zu machen (Mt 28,19).

Ich glaube, dass es einen Weg gibt, der nicht nur introvertierten Menschen wie mir hilft, Andere auf ihrem Weg zu Jesus zu begleiten, sondern auch passender für unsere Gesellschaft ist. Unsere Kultur kann dem Christentum nichts mehr abgewinnen. Wir sind „postchristlich“, die erste Gesellschaft in der Menschheitsgeschichte, die vom christlichen Glauben durchdrungen war und sich davon entfernt hat. Viele sehen das Christentum heute als schädlich an, als eine Gefahr für die Gesellschaft und Bedrohung der Werte. Oder aber (und das ist noch problematischer), es ist einfach irrelevant. Ich meine, dass das die noch problematischere Einstellung ist, da sich solche Menschen nicht einmal mehr Gedanken über den Glauben machen. Um ihn abzulehnen und als Gefahr zu sehen, muss man sich wenigstens ein bisschen damit beschäftigen. Aber selbst das tun viele nicht mehr. Der Glaube und Religion allgemein ist einfach egal.
Aus diesen beiden Gründen werden wir immer weniger Leute treffen, die bereit sind, uns für längere Zeit zuzuhören, damit wir ihnen den christlichen Glauben erklären und sie einladen können. Denn entweder interessiert es sie überhaupt nicht. Dann haben sie keine Veranlassung uns überhaupt zuzuhören. Oder sie sind dem Glauben feindlich eingestellt. Dann werden sie auch nicht aufnahmefähig für das Evangelium sein, sondern es als eine unterdrückende, ausgrenzende und intolerante Botschaft wahrnehmen und ablehnen.

Wie wäre es, wenn wir uns von dem Rahmen, den der Begriff „Evangelisation“ in den Köpfen vieler Christen hat, entfernen? Wenn wir nicht versuchen, unsere Gespräche in diesen Rahmen zu pressen? Wenn wir nicht darauf aus sind, unsere Unterhaltungen irgendwie entsprechend unserer Agenda zu verbiegen? Sondern wenn wir stattdessen „einfache Gespräche“ führen? Also ganz natürliche. Ohne vorher festgelegten Ablauf. Ohne unbedingt das ganze Evangelium unterbringen zu müssen. Stattdessen ist es unser einziges Ziel einen kleinen „Stein“ im Schuh der anderen Person zu platzieren. Soll heißen, unser einziges Ziel ist es ihr eine Sache mitzugeben, über die sie weiter nachdenken muss. Die sie nicht loslässt und weiter beschäftigt, so wie ein Stein im Schuh drückt und einen nicht in Ruhe lässt. Natürlich kann man auch noch mehr sagen, wenn sich die Gelegenheit ergibt und der Heilige Geist uns dazu drängt. Aber ich glaube es ist besser, erst einmal klein anzufangen als überhaupt nicht zu beginnen.
Und dann überlassen wir die Person Gott. Glücklicherweise hat er die Verantwortung für sie, nicht wir. Nicht wir sind für ihre Errettung verantwortlich. Wir sind nur ein kleiner Teil von Gottes „Gärtnern“ und „Erntearbeitern“. Unsere Verantwortung erstreckt sich nur auf die Zeit, die Gott uns mit der Person gibt. Welchen Einfluss das auf ihren weiteren Weg mit oder ohne Gott hat, das liegt wieder bei Gott.


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