Heilig, heilig, heilig ist der Herr!?

In den vergangenen Tagen (22.-24.04.) fand die Evangelium21-Konferenz online statt. Und da sie aufgrund der Corona-Situation online ausgestrahlt wurde, konnte ich (teilweise) mit dabei sein. Das Thema lautete „Heilig“; es ging um die Heiligkeit Gottes. Die neun Predigten können auf youtube nachgeschaut werden. Ich selbst habe leider nur ca. die Hälfte der Vorträge mitbekommen, diese waren aber sehr bewegend für mich. Ich möchte hier ein paar kurze Gedanken weitergeben, die mich immer noch beschäftigen.

In der ersten Predigt sprach Steven Nichols über „Die Heiligkeit Gottes“. Anhand von Hebräer 12,18-29 stellte er zwei Berge gegenüber: den Berg Sinai und den Berg Zion. Ich kenne diese Stelle und habe sie bisher vor allem unter dem Aspekt gelesen, dass wir in Jesus Christus nun etwas besseres haben als die Juden mit dem Gesetz. Ich gehe schnell über die ersten Verse hinweg (wozu wir nicht gekommen sind) und hin zu den direkt relevanten (wozu wir gekommen sind) und der daraus folgenden Anwendung. Um am Ende freue ich mich und bin dankbar, dass ich zu Gott kommen kann und für das, was er mir in Christus schenkt. Und hier liegt das Problem: Ich beachte den „Berg Sinai“ zu wenig und konzentriere mich zu schnell auf den „Berg Zion“. Und ich glaube, ich bin damit nicht allein. In unseren Predigten und Gesprächen ist viel mehr von der Liebe und Annahme Gottes die Rede als von seiner Heiligkeit. Nun will ich das auf keinen Fall gegen einander ausspielen, so als ob man sich zwischen der Heiligkeit und der Liebe Gottes entscheiden müsste. Auf keinen Fall! Aber wir müssen beides im Blick haben.
Stephen Nichols hat darauf hingewiesen, dass in der Bibel nicht die Liebe, sondern die Heiligkeit Gottes dreifach betont wird (Jesaja 6,3). Als das Volk Israel am Berg Sinai lagerte, in der Nähe Gottes, da war das nicht unbedingt ein Ort, an dem sie gerne waren. Sie konnten die Blitze, den Donner, den Lärm, das Feuer nicht ertragen. Sie wollten so viel wie möglich Abstand halten und selbst Mose war angst und bange. Jeder, der unbefugt einen Fuß auf dem Berg setzte, würde getötet werden, hieß es. Und selbst ein unschuldiges Tier, das versehens auf den Berg ginge, würde getötet werden. Das bedeutet es, in der Nähe eines heiligen Gottes zu sein. Spätestens an diesem Punkt sind wir schnell dabei, die Verhältnismäßigkeit der Strafe zu hinterfragen. Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Aber genau das ist der springende Punkt. Wir haben oft ein zu kleines Bild von Gott. Wir haben keine angemessene Vorstellung davon, was es bedeutet, dass Gott heilig ist. Dass er vollkommen rein ist. Wir haben ein zu kleines Bild von Gott. Und ein zu großes Bild von uns selbst. Irgendwie denken wir, dass wir so schlimm doch eigentlich nicht sind. Und deshalb empfinden wir die Todesstrafe für das Betreten des Berges als übertrieben. Wir sehen nicht, dass wir absolut unpassend für die Gegenwart Gottes sind. Gott ist in unserer Wahrnehmung kein „verzehrendes Feuer“, sondern eher ein wohliges Lagerfeuer.
Ich musste erkennen, dass ich Gottes Heiligkeit in letzter Zeit ziemlich aus dem Blick verloren habe. Ich will gern wieder dahin zurück. Denn die Krux ist ja: ohne den Berg Sinai ist der Berg Zion nur halb so schön. Erst wenn ich erkenne, wie absolut unmöglich mein Bestehen in der Gegenwart Gottes ist, kann ich die Tatsache, dass ich nun durch Christus zu Gott, in seine Gegenwart und ungetrübte Gemeinschaft kommen kann, richtig einordnen. Je größer mein Blick für die Heiligkeit Gottes, desto größer meine Bewunderung für seine Liebe, die er mir erwiesen hat. Jesus sagt mal, dass der viel liebt, dem viel vergeben wurde. Wenn wir sehen, wie heilig Gott ist und wie verdorben wir im Vergleich dazu, dann können wir nicht anders, als wie Jesaja sagen: „Weh mir, ich bin verloren!“ Aber wenn wir dann wie Jesaja Gnade erleben dürfen und unsere Schuld durch Jesus vergeben ist, dann kommen wir aus dem Staunen über Gott nicht mehr heraus. Dann wird die Bewunderung und Liebe zu ihm nur noch größer. Weil er einen Weg zur Versöhnnung gebahnt hat und uns annimmt als seine Kinder.

Die Heiligkeit Gottes ist keine „Randeigenschaft“, die man ruhig ignorieren kann. Mit ihr ist man nicht populär. Ein absolut reiner, strafender Gott, der Sünde nicht ausstehen kann, passt nicht in unsere Zeit. Und in unser Bild von Gott. Damit ziehen wir keine Leute an. Aber wir brauchen unbedingt diese Perspektive. Ohne die Sicht für die Heiligkeit Gottes verliert das Evangelium seine Relevanz und Dringlichkeit. Warum brauchen wir und die Menschen um uns herum Errettung, wenn Gott Sünde nicht bestraft? Wenn er auch mal ein Auge zudrückt? Es steht viel auf dem Spiel, wenn wir nur ein einseitiges Bild von Gott haben. Die drei Konferenztage haben mir geholfen, mich selbst wieder zu hinterfragen, wie ehrfürchtig ich vor Gottes heiligem Wesen bin. Ich hab auf alle Fälle echten Nachholebedarf.

PS: Passend zum Konferenzthema gibt es das Buch „Die Heiligkeit Gottes“ von R.C. Sproul, das Konferenzteilnehmer bekommen haben. Das empfehle ich gern weiter (hier meine Gedanken aus dem Buch).


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