Er ist wahrhaftig auferstanden (5): Widersprechen sich die biblischen Auferstehungsberichte?

In den beiden vorangegangenen Beiträgen habe ich mich mit verschiedenen Alternativtheorien beschäftigt, die versuchen, die Auferstehung „wegzuerklären“. Ich habe gezeigt, dass keine dieser Theorien eine befriedigende Erklärung unter Berücksichtigung aller gesicherter Fakten bieten kann. Deshalb gehe ich weiter von der Wahrheit der Auferstehung aus. Woher können wir aber wissen, ob die biblischen Berichte stimmen? Macht man es sich nicht etwas zu einfach, wenn man mangels Alternativen einfach die Evangelienberichte als wahr annimmt? Dieser Einwand ist berechtigt und sollte auch von Christen ernst genommen werden. Wenn wir alternative Erklärungen kritisch hinterfragen und untersuchen, dann müssen wir auch den gleichen Maßstab an unsere eigenen Erklärungen und Texte anlegen. Und wenn man sich die Berichte der Auferstehung in den vier Evangelien durchliest, fallen schnell Unterschiede auf. Also müssen wir darüber reden. Denn nicht wenige Skeptiker behaupten aufgrund dieser Unterschiede, die Evangelien würden sich widersprechen und deshalb könne dem biblischen Zeugnis auch kein Vertrauen geschenkt werden.

Ich will nun zuerst auf die Gemeinsamkeiten in den Berichten eingehen. Diese lassen sich in Matthäus 28,1-10, Markus 16,1-8, Lukas 24,1-12 und Johannes 20,1-8 nachlesen. Danach werde ich mich mit den Unterschieden der Erzählungen befassen und untersuchen, ob diese sich widersprechen oder miteinander in Einklang gebracht werden können.

Gemeinsamkeiten der Berichte

Worin stimmen die Evangelien in ihren Schilderungen der Auferstehung überein? Folgende Gemeinsamkeiten können wir feststellen:

  • Frauen kommen zum Grab Jesu.
  • Sie kommen am Tag nach dem Sabbat (also Sonntag) sehr früh am Morgen.
  • Sie finden den Stein vom Grabeingang weggerollt.
  • Ihnen begegnen Engel, die mit ihnen reden.
  • Die Frauen sind voll Furcht und Schrecken.
  • Das Grab ist leer.
  • Die Frauen erzählen die Neuigkeiten den Jüngern.
  • Die Jünger glauben ihnen nicht.

Es ist also ersichtlich, dass die Grundstruktur der Erzählung in allen Berichten gleich ist. Keiner der vier Schreiber weicht grundlegend davon ab. Da wir nun die großen Gemeinsamkeiten der biblischen Auferstehungsberichte festgestellt haben, wollen wir uns den Unterschieden zuwenden.

Wie viele Frauen gingen zum Grab?

Der erste auffällige Unterschied in den Berichten ist die Anzahl der Frauen, die zum Grab gingen. Matthäus berichtet von Maria Magdalena und der „anderen Maria“; Markus nennt Maria Magdalena, Maria (die Mutter von Jakobus) und Salome. Lukas schreibt von Maria Magdalena, Johanna, Maria (der Mutter von Jakobus) und die „Übrigen“. Johannes wiederum berichtet nur von Maria Magdalena. Also wie viele Frauen waren es denn nun? Die entscheidende Frage ist, ob die Evangelisten sagen, dass nur die angegebenen Frauen am Grab waren. Oder lassen sie die Möglichkeit offen, dass neben den angegebenen auch noch andere Frauen Teil der Gruppe waren. Ich sehe keinen Grund zu der Annahme, dass die Schreiber der Meinung waren, nur die von ihnen angegebenen Frauen waren am Grab gewesen.

Dasselbe Prinzip begegnet uns ja auch heute noch, täglich in unseren Gesprächen. Wir sind kürzlich umgezogen und hatten dafür einige Helfer engagiert. Wenn nun meine Frau und ich unabhängig voneinander mit anderen über den Umzug sprechen, dann ist es zu erwarten, dass unsere Berichte nicht 100 Prozent deckungsgleich sind. Wir werden wahrscheinlich in unseren Erzählungen unterschiedliche Leute erwähnen, die mit dabei waren. Das liegt zum einen daran, dass wir aus unterschiedlichen Perspektiven berichten und wahrscheinlich verschiedene Schwerpunkte setzen. Wenn ich vor allem davon berichte, wie schnell wir die alte Wohnung ausgeräumt haben und wie viel Dank gutem Schlichtens in den Transporter passte, werde ich teilweise andere Personen erwähnen und hervorheben als wenn meine Frau davon erzählt, wie schnell in der neuen Wohnung alles wieder aufgebaut war.

Wenn also Johannes in seinem Bericht über die Auferstehung nur von Maria Magdalena schreibt, heißt das nicht zwingend, dass nur sie am Grab war. Er greift sie bewusst aus der Menge heraus, weil er ein bestimmtes erzählerisches Ziel verfolgt. Aus diesem Grund ist es absolut kein Problem, die Schilderungen der Evangelien als sich ergänzend anzusehen. Und so kann man festhalten, dass mindestens fünf Frauen zum Grab gingen (Lukas 24,10: „Maria Magdalena und Johanna und Maria, des Jakobus Mutter, und die Übrigen mit ihnen.“).

Wann gingen die Frauen zum Grab?

Ein weiteres Problem stellt die Zeit dar, wann die Frauen zum Grab kamen. Alle Evangelisten stimmen darin überein, dass es der Tag nach dem Sabbat, der erste Tag der Woche, war. Aber wann genau an diesem Tag? Matthäus schreibt „in der Morgendämmerung“; Markus nennt „früh am … Tag …, als die Sonne aufgegangen war“; Lukas meint „ganz in der Frühe“ und Johannes aber „früh, als es noch finster war“. Zwar sagen alle, dass es am frühen Morgen war, aber während es bei Johannes noch dunkel ist, ist bei Markus bereits die Sonne aufgegangen. Wie geht man damit um? Die Diskrepanz zwischen Matthäus und Markus könnte man damit erklären, dass zwischen Aufbruch zum Grab (Matthäus: „in der Morgendämmerung“) und Ankunft (Markus: „als die Sonne aufgegangen war“) einige Zeit vergangen war.

Somit lässt sich auch ziemlich gut eine weitere Schwierigkeit lösen: Alle Evangelisten schreiben davon, dass die Frauen bei ihrer Ankunft am Grab den Stein weggerollt finden. Nur Matthäus berichtet davon, wie das denn zustande kam. Auf den ersten Blick scheint es so, als ob der Stein erst weggerollt wird, als die Frauen schon beim Grab angekommen sind, da die Erzählung nahtlos mit der Anrede des Engels fortsetzt. Bei genauerem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass Matthäus gar nicht schreibt, die Frauen wären schon vor der Öffnung des Grabes vor Ort gewesen. Stattdessen schreibt er nur, dass sie „kamen … um das Grab zu besehen“ (28,1). Die Geschehnisse aus Versen 2-4 können sich also sehr gut während ihres Weges ereignet haben. Als sie dann zum Grab kommen, spricht der Engel sie an, was wieder übereinstimmend mit den anderen Berichten ist.

Ähnlich könnte man auch für Johannes 20,1 argumentieren. Maria startete ihren Weg zum Grab „als es noch finster war“. Vielleicht wohnte sie an einem anderen Ort als die anderen Frauen und hatte einen längeren Weg zum Grab, deswegen ging sie schon in der Dunkelheit los. Am Grab trafen sie dann zusammen. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass Maria Magdalena zuerst allein zum Grab ging, „als es noch finster war“. Daraufhin lief sie, um Simon Petrus und Johannes vom leeren Grab zu erzählen und kam danach noch einmal zurück. Weiter unten werde ich einen Vorschlag zur Harmonisierung aller Berichte machen.

Wie viele Engel waren am Grab?

Schließlich soll noch geklärt werden, wem die Frauen denn am leeren Grab begegneten und wie viele dieser Gestalten es waren. Matthäus und Johannes berichten von „Engeln“, die mit den Frauen reden; Markus und Lukas von „Männern“. Es gibt wieder keinen Grund zu der Annahme, dass die „Männer“ nicht auch die Engel sein sollten. Engel erscheinen in der Bibel immer als männliche Wesen. Und meist ruft ihr Anblick große Bestürzung hervor, sodass sie ihre Rede meist mit „Fürchtet euch nicht!“ beginnen (Matthäus 28,5; Markus 16,6; Lukas 24,5; vergleiche auch Lukas 1,11-13; 1,30; 2,9-10). Auch wenn Markus und Lukas von „Männern“ sprechen, ergibt sich aus der Parallelität der Auferstehungsberichte und den Ähnlichkeiten zu anderen Engelserscheinungen das starke Argument, dass auch sie tatsächlich Engel meinen.

Die Frage, wie viele Engel denn nun am Grab waren, lässt sich meines Erachtens auch recht zügig beantworten. Wieder verweise ich darauf, dass Matthäus oder Markus nicht sagen, dass nur ein Engel am Grab war. Sie konzentrieren sich einfach nur auf einen; vielleicht, weil nur einer der beiden Engel mit den Frauen sprach. Wenn Lukas und Johannes jeweils von zwei Engeln berichten, dann schließt das den einen Engel automatisch mit ein. Wie lässt sich erklären, dass bei Matthäus der Engel auf dem weggerollten Stein sitzt, während alle anderen Evangelisten schreiben, die Engel wären im Inneren des Grabes gewesen? Wie oben schon gesagt, ist es sinnvoll anzunehmen, dass Matthäus 28,2-4 die Geschehnisse beschreibt, während die Frauen noch auf dem Weg zum Grab waren. Bis sie dann dort ankamen, wird noch etwas Zeit vergangen sein. Ich persönlich sehe kein Problem darin, dass der Engel, nachdem er den Stein wegrollte und bevor die Frauen ankamen, sich in das Grabinnere begab, zu dem zweiten Engel.

Eine mögliche Harmonisierung der Auferstehungsberichte

Ich habe nun gezeigt, dass es meiner Meinung nach keinen Grund zu der Annahme gibt, die Auferstehungsberichte würden sich widersprechen. Abschließend will ich versuchen, eine mögliche zeitliche Abfolge der Geschehnisse aufzustellen. Im Lauf der Jahre wurden mehrere mögliche Harmonisierungen der Evangelienberichte vorgenommen. Aufbauend auf George Eldon Ladds Arbeit in I Believe in the Resurrection of Jesus, folgt hier mein Vorschlag, die Berichte der Evangelisten in Einklang zu bringen:

  1. Eine Gruppe von mindestens fünf Frauen geht früh am Sonntagmorgen zum Grab. (Mt 28,1; Mk 16,1-2; Lk 24,1; Joh 20,1a)
  2. Während sie noch unterwegs sind, geschieht das Erdbeben und der Stein wird weggerollt. (Mt 28,2-4)
  3. Die Frauen kommen zum Grab und wundern sich, warum der Stein schon weggerollt ist. (Mk 16,3-4; Lk 24,2; Joh 20,1b)
  4. Maria Magdalena läuft daraufhin zu Simon Petrus und Johannes und sagt ihnen, dass jemand Jesu Körper aus dem Grab genommen hat. (Joh 20,2)
  5. Die anderen Frauen gehen in das Grab hinein und sehen die Engel, die ihnen die Botschaft der Auferstehung verkünden. (Mt, 28,5-7; Mk 16,5-7; Lk 24,5-8)
  6. Die Frauen fliehen aus dem Grab, erfüllt sowohl mit großer Freude als auch mit großer Furcht und erzählen niemand etwas davon. (Mt 28,8a; Mk 16,8)
  7. Petrus und Johannes kommen zum Grab und sehen die Tücher. Johannes beginnt zu verstehen. Die beiden gehen wieder heim. (Joh 20,3-10)
  8. Maria Magdalena kehrt zum Grab zurück (da Petrus und Johannes beide zum Grab rannten, wurde sie höchstwahrscheinlich abgehängt). Sie glaubt immer noch, dass der Leichnam gestohlen wurde. Sie begegnet den Engeln und dann auch Jesus (den sie zuerst für den Gärtner hält). (Joh 20,11-17)
  9. Irgendwann im Lauf des Tages erscheint Jesus auch den anderen Frauen und beauftragt sie mit einer Botschaft an seine Jünger. (Mt 28,9-10)
  10. Die Frauen finden die Jünger und berichten ihnen von der Auferstehung. Die aber halten es für bloßes Geschwätz. (Mt 28,8b; Lk 24,9-11)
  11. Maria Magdalena kommt zu den Jüngern und auch sie erzählt von ihrem Erlebnis mit Jesus. (Joh 20,18)
  12. Irgendwann am Nachmittag erscheint Jesus den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. (Lk 24,13-33)
  13. Petrus geht nochmal allein zum Grab. Dort erscheint ihm auch Jesus. (Lk 24,12+34)
  14. An diesem Abend erscheint Jesus den versammelten Jüngern (außer dem abwesenden Thomas), als diese sich in einem Raum eingeschlossen hatten. (Joh 20,19-24)

Ich hoffe, damit zeigen zu können, dass es sehr wohl möglich ist, die vier Berichte der Auferstehung in Einklang zu bringen. Sie bilden zusammen eine stimmige Erzählung. Wir haben allen Grund, an die Wahrheit der Berichte und die Tatsache der Auferstehung zu glauben. Wenn man die Evangelien aufgrund ihrer Abweichung in Details als unglaubwürdig bezeichnet, sollte man sich fragen, ob man ihnen denn mehr Glauben schenken würde, wenn sie alle wortwörtlich identisch wären. Würde in diesem Fall nicht viel eher der Verdacht aufkommen, dass hier eine vereinheitlichte und abgesprochene Geschichte weitergegeben wird? Würde man dem vor Gericht begegnen, so würde man logischerweise schlussfolgern, dass sich die Zeugen abgesprochen hätten und man würde ihr Zeugnis als unglaubwürdig ansehen. Ladd sagt dazu:

Die Tatsache, dass die Evangelisten so unterschiedlich berichten, mag sogar ein Vorteil sein, denn sie zeigt ihre Unabhängigkeit voneinander und lässt vermuten, dass die Punkte, in denen sie übereinstimmen, historisch umso zuverlässiger sein dürften.

Fazit

Angesichts der historischen Indizien, der Mangelhaftigkeit der Alternativtheorien und der Glaubwürdigkeit der biblischen Auferstehungsberichte, können wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist. „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Christen haben einen festen Grund für ihren Glauben. Die Auferstehung ist nämlich nicht nur ein historisches Ereignis. Sie hat auch praktische Auswirkungen für unser Leben heute! Deshalb will ich in meinem letzten Beitrag dieser Serie den Bogen in die Gegenwart spannen und fragen: Was hat die Auferstehung mit uns zu tun? Warum ist sie für uns heute noch relevant? Welche praktischen Auswirkungen hat sie für uns?


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