Ich leiste, also bin ich

Ich bin ein sehr leistungsorientierter Mensch. Bei mir drehen sich viele Gedanken darum, wie ich noch produktiver werden und wie ich meinen Tag noch besser nutzen kann. Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich zugeben, dass ich oft ein ziemlich getriebener Mensch bin. Getrieben von meiner Aufgabenliste, getrieben vom eigenen Anspruch an mich selbst, der wiederum von den Tipps, Tricks und Strategien der Produktivitätsexperten beeinflusst ist. Mitte des Jahres war mir dann mal alles zu viel. Ich hatte in den Monaten zuvor zu lange zu viel getan und war dann einfach nur noch leer. Als ich dann aber zurückgefahren habe und auf einmal kein großes Projekt mit Deadline hatte, hat mir auch wieder etwas gefehlt. Dann wusste ich nichts mehr mit mir anzufangen. Obwohl ich Anfang des Jahres schon in einer ähnlichen Situation war, habe ich anscheinend nichts gelernt. Ich habe erschreckt festgestellt, dass ich mich total über meine Leistung definiert hab. Ich bin, was ich leiste. Ich bin wertvoll und mein Leben hat einen Sinn, wenn ich möglichst viel Gutes und Sinnvolles tue.

Wahrscheinlich ist nicht jeder so leistungs- und produktivitätsorientiert wie ich. Aber unsere Gesellschaft fährt voll auf Leistung ab. Beschäftigt und gestresst zu sein ist das neue Statussymbol. Wenn wir heute einander fragen, wie es uns geht, dann kommt ganz oft die Antwort zurück: „Ganz gut. Ist grad viel los.“ Ich selbst habe oft genug so geantwortet. Wir befinden uns einem Hamsterrad der Produktivität und freuen uns daran, dass wir immer etwas zu tun haben. Nichtstun geht einfach nicht. Obwohl wir merken, dass unser Körper und auch unser Geist einmal Ruhe bräuchten – und zwar mehr als nur sechs, sieben Stunden Schlaf – können wir doch nicht aufhören.

Jesus fasziniert mich in dieser Hinsicht immer wieder. Weil er unglaublich viel zu tun hatte und dennoch nie gehetzt in den Evangelien rüberkommt. Er wird von Kranken belagert, ist immer unterwegs, predigt in Synagogen und unter freiem Himmel. Unglaublich, was er alles geschafft hat! Und gleichzeitig hat er kein Problem damit, zu Dingen Nein zu sagen. Oder sich zurückzuziehen und die vielen Kranken, die noch geheilt werden könnten, stehen zu lassen. Bei Jesus merke ich immer wieder: Er war zwar produktiv, aber er war kein Getriebener. Er war kein Sklave seiner Leistung.

Vor einigen Wochen habe ich den Beginn des Markus-Evangeliums gelesen und kam da zur Taufe von Jesus. Nach der Taufe spricht Gott zu ihm: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ (Mk 1,11) Wow, was für ein gewaltiger und genialer Zuspruch! Das ist genau das, wonach ich mich auch sehne! Die absolute und bedingungslose Liebe und Annahme von Gott, dem Vater, zu erfahren. Deshalb leiste ich ja auch, deshalb will ich meine Zeit bestmöglich nutzen. Damit Gott auch von mir sagt: „An dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Was ich aber bisher übersehen habe und was mir jetzt beim Lesen wieder neu aufgegangen ist: Als Jesus diesen Zuspruch von seinem Vater erhält, da hat er noch gar nichts geleistet. Zum Zeitpunkt seiner Taufe hat er noch keine Kranken geheilt, noch nicht gepredigt, noch keine Dämonen ausgetrieben. Er hat noch nichts Zählbares für seinen Dienst hervorgebracht.

Kann es sein, dass wir die Reihenfolge von Liebe und Leistung umgedreht haben? Wir denken immer wieder, dass wir Leistung bringen müssen, um dann im Gegenzug Liebe und Annahme zu bekommen. Das ist die Art und Weise, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Und wir Christen sind manchmal ganz schön von unserer Gesellschaft geprägt. Wir versuchen, uns Gottes Liebe zu „erkaufen“, zu verdienen mit unserer Arbeit. Leistung führt zu Liebe. Kein Wunder, dass wir dann gestresst und gehetzt sind. Denn wir wissen ja nie, ob wir jetzt produktiv genug sind. Und wenn wir ehrlich sind, dann gibt es selbst an hochproduktiven Tagen Zeiten, die man im Rückblick auch besser hätte nutzen können. Bei Jesus ist das ganz anders: Bevor er irgendetwas geleistet hat, bekommt er die Versicherung von Gottes Liebe und Wohlgefallen. Und diese Liebe treibt seine Leistung. Er arbeitet nicht, um angenommen zu werden, sondern er arbeitet, weil er bereits angenommen ist! Jesus weiß, dass er geliebt ist. Dass er nichts tun muss, um sich die Liebe seines Vaters zu verdienen. Und diese Sicherheit befreit ihn das zu tun, was wirklich wichtig ist. Sie befreit ihn sich einfach Zeit für sich und Gott zu nehmen. Liebe führt zu Leistung.

In Christus haben wir dieselbe Sicherheit. Für Christen gilt der gleiche Zuspruch wie für Jesus: „Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Wir sind bereits angenommen, wir sind bereits geliebt. Ich bin geliebt, unabhängig von dem, was ich leiste! Was für ein unglaublicher Zuspruch! Das Evangelium führt also dazu, dass wir produktiv sein wollen. Und gleichzeitig befreit es uns aber von dem Druck, produktiv sein zu müssen. Wir sind nicht, was wir leisten. Sondern wir sind Gottes geliebte Kinder. Unsere Identität ist sicher. Und diese Sicherheit befähigt uns wie sonst nichts, ein produktives und dabei nicht gehetztes Leben zu führen.


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